Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Vorübergehen zu und rollte sich dann auf einem der anderen Betten zusammen, während Bromm bereits mit geschlossenen Augen neben der Feuerstelle ruhte, ganz so, als habe er diese nie verlassen.
Moosbeere war verschwunden, und Tarean hatte nicht den geringsten Schimmer, wo sie sich herumtrieb. Er hoffte nur, dass sie seine warnende Bitte beherzigte und sich nicht von dem Zirpen irgendeiner Grille im Steppengras oder einem auf der Mauerkrone dahinkrabbelnden Käfer dazu verführen ließ, ihr Versteck preiszugeben. So einfühlsam das Irrlicht mitunter war, so sorglos und nur der eigenen Neugierde verpflichtet handelte es zu anderen Zeiten.
Gemeinsam mit Auril trat Tarean vor das Haupthaus. Die Luft war von einer frühmorgendlichen Frische, und die Sterne am Himmel begannen bereits zu verblassen. In spätestens einer Stunde würde der neue Tag anbrechen, und irgendwie spürte Tarean, dass sich das sprichwörtliche Unwetter, das sich seit zwei Tagen über ihren Köpfen zusammengebraut hatte, heute über ihnen entladen würde. Es war einfach Zeit, dass das Warten ein Ende hatte und etwas passierte.
Der Junge und die Albin erklommen die schmale Stiege neben dem Haupthaus hinauf zum Wehrgang und drehten geduckt eine Runde einmal um die Mauer. In jeder Himmelsrichtung spähten sie einmal über das Wehr. Aber das Einzige, was sie erblickten, war die einsame, still daliegende Steppe. Dann ließen sie sich in der nordöstlichen Ecke, unweit der Stiege zum Hof, nieder und hielten gemeinsam Ausschau nach möglichen Bedrohungen.
»Weißt du, was mir gerade durch den Kopf gegangen ist?«, fragte Tarean nach einer Weile.
»Hm?«, erwiderte Auril, ohne den Blick von der Steppe abzuwenden.
»Wir haben jetzt den Punkt überschritten, an dem es kein Zurück mehr gibt. Wir sind so weit von At Arthanoc entfernt, dass wir nicht mehr rechtzeitig zurückkehren könnten, um Kesrondaia den Sternkristall wieder in die Brust zu setzen. Nun müssen wir die Kristalldrachen erfolgreich aus ihrem Kerker befreien, wenn wir darauf hoffen wollen, ihr Leben zu retten.«
Auril blies sich eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht und sah ihn mit sanft glimmenden Augen an. »Wir wussten, dass dieser Augenblick irgendwann kommen würde, nicht wahr?«
»Ja, natürlich«, bestätigte Tarean. Er zuckte irgendwie hilflos mit den Schultern. »Es fühlt sich trotzdem seltsam an.«
Die Albin hob die Hand und drückte mit einem aufmunternden Lächeln kurz seinen Arm, bevor sie sich wieder abwandte.
Einige lange Herzschläge hockten sie stumm nebeneinander.
Dann holte der Junge tief Luft. Jetzt oder nie. Darauf habe ich seit Tagen hingearbeitet. Er öffnete den Mund, um »Auril« zu sagen, doch diese war schneller. »Tarean.«
»Ja?«, fragte er gespannt.
»Ich muss mit dir über etwas reden, über das wir schon lange hätten sprechen sollen.«
Tarean drehte den Kopf und sah, dass Auril ihn anblickte. Die Unsicherheit stand ihr ins Gesicht geschrieben. Dies hier fiel ihr kein bisschen leichter als ihm. Raschelnd veränderte er seine Sitzposition und nickte der Albin zu. »Ich auch«, gestand er. »Aber du zuerst.«
»Es hat mit dem Wasser des Sehens zu tun«, eröffnete ihm Auril. »Ich …«
»Oh, warte«, unterbrach sie Tarean. »Darüber wollte ich auch mit dir sprechen. Ich weiß Bescheid. Über die besonderen Kräfte und Gefahren des Wassers – und dass du davon getrunken hast, um einen Blick in die Zukunft zu erhaschen.«
Auril hob verdutzt die Brauen. »Du weißt es?«, echote sie. »Wie kommt es …?« Da verfinsterte sich ihre Miene, und in ihren grünen Augen blitzte es ärgerlich. »Bromm! Dieser unselige Kaminvorleger! Ich sollte ihm einen Knoten in seine redselige Zunge machen.«
Der Junge hob beschwichtigend die Hände. »Sei ihm nicht böse. Er macht sich nur Sorgen um dich. Und er bat mich darum … nun, dir zu helfen. Irgendwie.«
Die Albin starrte ihn an, und er war sich nicht sicher, ob sie im nächsten Moment wütend aufspringen und davonlaufen oder in Tränen ausbrechen würde. Sie tat nichts von beidem. Stattdessen strich sie mit einer Hand ihr Haar zurück und schürzte nachdenklich die Lippen. »Also gut«, sagte sie. »Dann will ich nicht viele Worte verlieren. Ich trank das Wasser des Sehens, weil ich wissen wollte …« Sie holte tief Luft und schaute ihn mit ernster Miene unverwandt an. »Weil ich wissen wollte, was aus uns beiden wird.«
Tarean spürte, dass sein Herz einen schmerzhaften Sprung in seiner Brust
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