Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
der Tiefe führen kann.«
Der Junge steckte den Wegfinder in seine Tasche, schlang sich die Arme um den Leib und schauderte. »Sag so was nicht, Moosbeere. Bei solchen Worten beschleicht mich immer so eine unheimliche Ahnung, dass ich vielleicht der Einzige sein werde, der überhaupt den Thronsaal des Herrn der Tiefe erreicht …«
»Oh nein, Tarean«, flüsterte das Irrlicht. »Nicht der Einzige. Ich werde immer an deiner Seite sein.«
Der Junge spürte, wie ihm bei diesem Bekenntnis warm ums Herz wurde, und er schenkte Moosbeere ein zärtliches Lächeln. Doch in seinen Augen blieb das Unbehagen bestehen, als sein Blick erneut über die dunklen Berge im Osten schweifte.
Ein fernes Grollen drang an seine Ohren, und für einen Moment schien der Wind einen Hauch von Feuer und Schwefel über die Steppe zu tragen.
»Iegi, hast du kurz Zeit für mich?« Auril trat auf den Vogelmenschen zu, der am Rand der kleinen Arena der Wachfeste mit seinem Kampfstab unsichtbare Gegner vor sich hertrieb. Im Gegensatz zu den anderen hatte er im Kampf gegen die Kazzach keine einzige Wunde davongetragen, und offenkundig brannte in seinen Muskeln noch so viel überschüssige Kraft, dass er sie in den Übungen loszuwerden versuchte.
Als die Albin das Wort an ihn richtete, brach er seine Angriffsserie ab, ging zu ihr hinüber und stellte seinen Stab auf den mit Sand und Heu bedeckten Boden. »Natürlich. Was gibt es?«
Auril zögerte kurz. »Ich würde gerne mit dir über etwas sprechen«, sagte sie dann.
Iegi lehnte seinen Kampfstab an den hüfthohen Holzzaun, der die Arena einfasste, flankte darüber hinweg und wies auf den schmalen Weg, der entlang des Gatters um das innere Rund verlief, in dem die nondurischen Soldaten tagsüber ihr Kampfgeschick schulten und zu Festtagen Schauduelle abhielten. »Gehen wir ein Stück.«
Schweigend folgten sie dem ausgetretenen Pfad, während der Taijirinprinz anscheinend darauf wartete, dass die Albin den Anfang machte. Also schön. Auril blieb stehen und wandte sich Iegi zu. »Ich will es kurz machen: Tarean glaubt, dass zwischen uns mehr ist als bloße Freundschaft. Ich bin mir nicht sicher, also frage ich dich: Ist da mehr?« Sie hob die Hand, als der junge Vogelmensch den Mund öffnen wollte. »Warte! Denk nach, bevor du antwortest. Ich bin das Versteckspielen und die Missverständnisse leid, die unsere Reise begleitet haben, seit wir einander wiedergesehen haben. Ich möchte mit meinem Herzen im Reinen sein, bevor wir die Glutlande und mit ihnen die Dunkelreiche betreten. Also überlege dir genau, was du mir sagen möchtest.«
Iegi nickte. »Ich verstehe. Aber ich brauche nicht mehr nachzudenken, denn ich habe in den letzten Tagen genug gegrübelt, und jetzt steht meine Entscheidung fest.« Er blickte der Albin direkt in die Augen. »Es stimmt. Ich habe mich zu dir hingezogen gefühlt, seit wir gemeinsam gegen At Arthanoc geritten sind. Dein Mut und dein Geschick haben mich beeindruckt, deine Wildheit und dein Freiheitswille angezogen. Wärst du eine Taijirin, es gäbe keine in Airianis, die dir gleichkäme.«
Auril senkte den Kopf. »Oh, Iegi. Wieso hast du mir das nicht gesagt?«
»Warte, ich bin noch nicht fertig. Als du die sechs Monde fort warst, habe ich oft an dich gedacht. Selbst als Raisil dazu überging, mich nicht mehr nur zu bewundern, sondern regelrecht zu umwerben, war sie für mich anfangs nur eine unter vielen, denn immer wieder stand dein Bild vor meinen Augen. Doch seit Raisils Tod hat sich einiges geändert. Plötzlich vermisse ich sie, ganz gleich, wie sehr ich mich dagegen gesträubt haben mag. Sie war nicht so außergewöhnlich wie du. Sie konnte nie gut kämpfen, und es fehlte ihr an deiner Lebenserfahrung. Aber sie war eine Taijirin. Ich bin mit ihr durch die Wolkenberge geflogen, habe mit ihr zur Sturmweihe am Himmel unter den Sternen getanzt. Wir waren uns näher, als du und ich es jemals sein könnten, ganz gleich, wie sehr wir uns bemühen würden.«
Iegi legte Auril die Hand auf die Schulter. »Ich schätze dich noch immer als Freundin und Kampfgefährtin, Auril. Sehr sogar. Aber mehr kann daraus niemals entstehen. Und das sage ich nicht, weil ich es Tarean als meinem Freund eigentlich schuldig wäre, und ich sage es ganz sicher nicht, weil ich Sorge habe, dass mein Vater vor Schreck tot umfallen könnte, wenn ich ihm dich als meine Prinzessin vorstellen würde.« Der Gedanke ließ die Mundwinkel des jungen Vogelmenschen belustigt zucken. »Nein, ich sage
Weitere Kostenlose Bücher