Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Augen. Mir persönlich wäre Letzteres lieber.«
Der Sohn Shiraiks wandte sich an den Gardeveteranen. »Hauptmann Iagiss?«
»Die Befehle des Königs waren eindeutig«, erwiderte dieser. »Wir sollen den jungen Prinzen heimholen oder mit unserem Leben für seine Sicherheit einstehen.«
Als er diese Worte hörte, hellte sich Iegis Miene auf. »Nun denn, ich erwarte deinen Schutz, Shariik.«
»Also gut, wir bleiben«, knurrte Iegis ständiger Rivale. »Aber ich warne dich: Solltest du auch nur einmal versuchen, dich unnötig in Lebensgefahr zu begeben, darfst du dich auf etwas gefasst machen! Und kein Bär, kein Wolf und auch kein sonstiges Getier, das dir zu Hilfe eilt, wird mich aufhalten können.«
»Wie du meinst«, erwiderte Iegi selbstzufrieden, senkte seinen Kampfstab und machte kehrt, um zum Feuer zurückzuspazieren.
»Das gibt noch Ärger«, murmelte Tarean.
»Das sehe ich auch so«, pflichtete ihm sein Ebenbild bei.
»… und dann verspürte ich diesen furchtbaren Schmerz, so als würde ich innerlich zerrissen. Ich weiß noch, dass ich zu Boden geschleudert wurde und über den Stein rutschte. Ich muss mit dem Kopf gegen ein Hindernis geprallt sein, denn es traf mich wie ein Blitz, und dann habe ich das Bewusstsein verloren. Als ich aufwachte, war alles ruhig. Bromm war fort. Die Kazzach waren fort. Das Unwetter hatte sich verzogen. Nur die nass glänzenden Hauswände und die großen Pfützen auf den Straßen zeugten von dem, was zuvor geschehen war. Ich schlich die Sackgasse zurück, durch die Bromm und ich gekommen waren, suchte mir durch die leeren Straßen meinen Weg nach Süden, und etwas später erreichte ich unbehelligt die Steppe. Von euch war keine Spur mehr zu sehen. Allerdings lagen eine Menge toter Kazzach herum. Ich nehme an, ihr seid ihnen nicht ganz so leicht entkommen wie erhofft.«
Tarean wartete das beifällige Gemurmel seiner Gefährten ab, bevor er fortfuhr. »Jedenfalls wollte ich nicht daran glauben, dass sie euch gefangen oder getötet haben könnten. Also redete ich mir ein, dass ihr das getan hättet, was ich Iegi mehr als einmal aufgetragen hatte: den Wegfinder und den Sternkristall nehmen und weitermachen. Und so beschloss ich, euch so schnell wie möglich nachzufolgen. Am nächsten Morgen fanden mich Shariik und seine Begleiter, die ebenfalls auf der Suche nach euch waren, und nahmen mich mit. Der Kommandant der Wachfeste nördlich des Rêd-Flusses wies uns den Weg, den ihr eingeschlagen hattet. Und nun sind wir hier.«
Shariik schüttelte fassungslos den Kopf. »Eine unglaubliche Geschichte. Ein Barde auf einem Volksfest hätte nicht wohlfeiler fabulieren können.«
»Und doch ist sie wahr«, versetzte Tarean mit einem Anflug von Zorn. »Ich denke, der Umstand, dass wir beide hier sitzen, ist Beweis genug.« Er deutete auf den Jungen, der zu seiner Rechten zwischen Bromm und Iegi saß und ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war. Sie hatten sich alle um das kleine Lagerfeuer versammelt, eine mittlerweile dreizehnköpfige Gemeinschaft, die sich Tarean nicht erträumt hätte, als er Airianis verlassen hatte, um Kesrondaias Ruf zu folgen.
»Ich wusste immer, dass Gongathar verflucht ist«, murmelte Fenrir zum wiederholten Male.
»Warum hast du das nicht etwas deutlicher gesagt, als wir auf der Flucht vor den Kazzach waren?«, erkundigte sich Auril bissig.
»Ich habe gesagt, dass man in dieser Stadt aufpassen muss«, antwortete der Nondurier. »Ich habe davor gewarnt, die Straßen zu verlassen und in die Häuser einzudringen. Niemand weiß, was für alte Schrecken – und welch alte Magie – dort schlummern.«
»Ich frage mich, ob dieser Zauber irgendwelche Folgen hatte. Fühlt ihr euch irgendwie anders?«, wollte Iegi wissen.
Tarean und sein Ebenbild blickten sich kurz in die Augen und schüttelten dann beide den Kopf. »Nein. Ich fühle mich wie immer«, behauptete der Junge, und auch seinem magischen Zwillingsbruder kam die Lüge glatt über die Lippen. Tatsächlich empfand er eine Leere in seinem Inneren, so als habe die unheimliche Macht ihn nur zum Teil verdoppelt, zum Teil aber auch wirklich in zwei Hälften zerrissen. Es war ihm nicht bewusst gewesen, bis er gemeinsam mit den Vogelmenschen wieder zu seinen Gefährten gestoßen war. Doch in dem Augenblick, da er die Freunde wiedersah, darunter auch Auril und Moosbeere, hatte er gespürt, dass er seiner Gefühle für das Irrlicht auf seltsame Weise verlustig gegangen war. Auch das winzige Geschöpf schien dies
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