Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
allerdings konnte nur eines bedeuten: Sie waren auf dem richtigen Weg!
Auril zog ihre beiden Schwerter und trat als Erste über die Schwelle. Die anderen folgten ihr. Fenrir legte mit angespannter Miene seinen vorletzten Feuerpfeil auf die Sehne. Haffta hielt ihren Doppelklingendolch fest umklammert. Und Bromm machte ein finsteres Gesicht.
Der Gang zog sich ohne jedwede Veränderung und ohne Möglichkeit, vom Weg abzuweichen, über mehrere Meilen dahin. Schritt für Schritt bewegten sie sich voran, und doch folgte auf jede Steinplatte nur eine weitere. Tarean fragte sich schon, ob der scheinbar endlose Pfad eine weitere Prüfung für die Geister der Verstorbenen darstellte, als sich endlich in der Ferne vor ihnen ein Portal abzeichnete, durch das ein helles, rotes Leuchten fiel.
»Tarean«, flüsterte ein helles Stimmchen aus seiner Tasche. »Der Herr der Tiefe ist nah. Ich spüre ihn in der Alten Macht. Und auch das Siegel ist nicht mehr fern. Es liegt irgendwo vor uns in der Tiefe, und es ist furchtbar stark.«
Der Junge blieb stehen und zog mit der Rechten langsam sein Schwert. Den Drachenstab nahm er in die linke Hand. »Wir sind beinahe am Ziel«, flüsterte er den anderen zu.
»Wir haben es gehört«, raunte Auril.
»Dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt«, sagte Tareans Zwilling leise. »Nimm meine Waffen, Auril. Wo ich hingehe, werde ich sie nicht brauchen. Und wenn doch, wäre ohnehin alles verloren.«
Einige lange Atemzüge starrte die Albin das Schwert und den Stab nur an, die ihr dargeboten wurden. Schließlich schob sie ihre eigenen Klingen in die Scheiden zurück. »Ich habe gehofft, dass es nicht dazu kommen würde«, gestand sie. »Andererseits habe ich irgendwie immer gewusst, dass es unvermeidlich ist.«
»Wovon sprichst du?«, fragte Tarean.
Auril drehte sich zu ihm um und schenkte ihm ein zärtliches Lächeln. »Nichts. Es ist schon in Ordnung.« Sie hob die Hand und berührte seine Wange. »Trotz allem, was zwischen uns vorgefallen ist, Tarean, habe ich dich immer geliebt. Und heute liebe ich dich mehr denn je. Ich wollte nur, dass du das weißt.« Sie beugte sich vor, nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn.
Tarean blickte sie verstört an. »Auril, was ist los?«
Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte der Junge eine tiefe Trauer über das Antlitz seiner Gefährtin huschen zu sehen. Doch schon im nächsten Moment verzog sich ihr Gesicht zu einem schiefen Grinsen, und ein wildes Funkeln trat in die Augen der Albin. »Frag mich das noch einmal, wenn all das hier vorbei ist«, sagte sie. Dann ergriff sie Esdurial und den zweiten Drachenstab und ließ beide mit einer Eleganz durch die Luft wirbeln, wie sie nur eine geborene Kämpferin zustande bringt. »Gehen wir.«
Bromm richtete sich auf die Hinterbeine auf und erhob sich zu seiner vollen Größe. »Das wird ein Spaß«, grollte er und stapfte der Albin nach, die sich bereits umgedreht hatte und losgeschritten war. Die übrigen folgten den beiden.
Sie erreichten einen Raum, der Tarean von seinen Ausmaßen her an die große Audienzhalle König Ieverins in Airianis erinnerte. Dennoch mutete er nach der unglaublichen Ausdehnung der Eingangshalle regelrecht klein an. Die Kammer war von rechteckigem Schnitt, wobei es den Anschein hatte, als sei sie nachträglich zur Rechten hin erweitert worden. Sie war bar jeder Verzierung, sah man von einer Runeninschrift ab, die in einem breiten Band in ungefähr vier Schritt Höhe entlang der Wände verlief.
Links befand sich auf einer freien Fläche ein großes Steinpodest, auf dem die Reste von etwas lagen, das einst eine Kristallkugel von enormen Ausmaßen gewesen sein musste. Das untere Viertel der Kugel war noch zu erkennen, ein glattes Rund mit geborstener Kante, das in seiner jetzigen Form an eine riesige Schale erinnerte. Myriaden von Splittern übersäten den Boden rund um das Podest und zeugten davon, dass die Kugel gewaltsam zertrümmert worden war.
Der rechte Teil der Kammer schien erst später in den Stein gebrochen worden zu sein, denn erschienen die Wände ansonsten glatt und von geschickter Hand bearbeitet, erinnerte der Raum an dieser Stelle eher an eine Höhle. Wände und Decke waren rau und der schwarze Boden uneben, auch wenn er wie unter großer Hitzeeinwirkung beinahe glasiert wirkte. Ein breiter, feuriger Lavafall brach aus der rückwärtigen Wand dieser Höhle hervor und stürzte mit zähflüssigem Brodeln in ein felsiges Becken voll geschmolzenem Gestein. Es
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