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Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen

Titel: Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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durchdringen, der den kleinen Hain umgab wie eine weiße Wand. »Moosbeere?!«
    Für einige bange Augenblicke befürchtete der Junge schon, das Irrlicht habe ihn nach der Aussprache des gestrigen Abends verlassen. Konnte es sein, dass er seine Begleiterin mit seinem Drängen auf Antworten – und dann seinem eigenen Unvermögen, auf nur eine einzige Frage klare Worte zu finden – tiefer verletzt hatte, als er es für möglich gehalten hätte? Er spürte, wie sich sein Magen bei dieser Vorstellung in einen schmerzhaft harten Knoten verwandelte. Moosbeere …
    Doch dann tauchte ein vertraut wirkender Lichtschimmer im Nebel auf, und das Irrlicht kam aus dem Wald hervorgeschwirrt. »Ist etwas passiert?«, piepste es arglos.
    Tarean merkte, dass er unwillkürlich die Luft angehalten hatte. Er atmete geräuschvoll aus und musste sich regelrecht zwingen, nicht zu erleichtert zu wirken. »Nein. Ich habe mich nur gefragt, wo du bist.«
    »Ich habe zwei dicke, schwarze Hornschröter beim Balzkampf um ein Käfermädchen beobachtet«, erklärte Moosbeere mit dem Stolz der leidenschaftlichen Naturkundlerin.
    »Ah. Großartig.« Der Junge lächelte, auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, was ein Hornschröter war. »Aber wir wollen weiter. Bist du bereit?«, fragte er, während er die Asche des Lagerfeuers mit seinem Stiefel zertrat und dann verteilte.
    Das Irrlicht ging in der Luft in Habtachtstellung. »Jawohl, mein Herr und Meister.«
    »Lass das.« Tarean verzog verlegen das Gesicht. Er ging zu Ro’ik hinüber und schwang sich auf dessen Rücken. Moosbeere kicherte, während sie an seine Seite huschte. Es schien alles wie immer zu sein, als wäre der gestrige Abend niemals geschehen. Vielleicht war das auch ganz gut so, dachte der Junge bei sich – einstweilen zumindest.
    Mit einigen kräftigen Flügelschlägen erhob sich der Greif und bewegte sich im sanften Steigflug durch das allgegenwärtige Weiß. Der Nebel nahm Tarean jedwede Orientierung, und er verließ sich ganz auf das Gespür Ro’iks, der, vertraut mit den Wetterlagen in den Wolkenbergen, ohne Scheu aufwärtsstrebte.
    Als sie kurz darauf die obere Grenze der Nebelbank durchstießen und in den kristallklaren Morgenhimmel aufstiegen, verschlug es Tarean schier den Atem. Die aufgehende Sonne lag noch hinter den mächtigen Gebirgsmassiven verborgen. Doch ein blassroter Streifen am östlichen Horizont, der mit zunehmender Höhe in ein helles Gelb überging, kündete bereits von ihrem Kommen. Und zu Füßen der einsamen Reisenden erstreckte sich, so weit das Auge reichte, ein gewaltiges, schweigendes Nebelmeer, aus dem die kargen, schneebedeckten Spitzen der Wolkenberge herausragten wie verstreute Inseln aus einer weißen, träge wallenden See.
    Ro’ik fügte der dunstigen Weite seinen eigenen Wolkenpfad hinzu, und dann galoppierten sie über dem Nebelmeer dahin, dem nahen Undur entgegen.
    Es war noch nicht einmal zur Mittagsstunde, als sie die Wolkenberge und damit das Reich der Vogelmenschen hinter sich ließen. Beinahe übergangslos blieb der letzte Gebirgsrücken hinter ihnen zurück, und das Land stürzte jäh abwärts. Am Boden wartete graues, karges, von scharfgratigen Felsen und tiefen Erdrissen übersätes Karstland auf sie. Undur, das an seiner breitesten Stelle kaum neunzig Meilen maß, erstreckte sich zwischen dem wilden Astria im Westen und den Grauen Bergen im Osten und zog sich vom ewigen Eis Firnlands im Norden bis hinab zum Bruch im Süden, einer titanischen Stufe in der Landkarte Endars, an welcher das Land zum Teil mehr als tausend Schritt senkrecht in die Tiefe abfiel. Aus der Luft erweckte Undur, vor allem der nördliche Teil, den beunruhigenden Eindruck einer gewaltigen, dick verschorften Wunde im Leib der Welt. Tarean konnte sich nicht vorstellen, dass dort unten viel Leben gedieh – zumindest nicht auf der Erdoberfläche.
    Der letzte Blick, den er aus der Luft auf Undur hatte erhaschen können, hatte kaum länger als ein paar bange Herzschläge gewährt. Damals war er gemeinsam mit Bromm nach einem Drachenangriff inmitten eines Unwetters an Bord von Karnodrims Flugschiff buchstäblich aus dem Himmel gefallen. Die Teile ihres ungewöhnlichen Fortbewegungsmittels, die nicht bereits Calvas’ geschupptem Verbündeten Igarkjuk zum Opfer gefallen waren, waren von den felsigen Reißzähnen des Landes zerfetzt worden. Es kam einem Wunder gleich, dass der Werbär und er den Absturz überlebt hatten.
    Den ganzen Tag über eilten Tarean und

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