Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
brannte noch immer fürchterlich.
»Was ist das?«, wollte Iegi wissen, und er deutete auf Tareans Hand.
»Was meinst du?« Dieser löste die Rechte vom Sternkristall, um besser sehen zu können. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der gesamte Ärmel seines Hemds schwach glitzerte, so als habe jemand Tausende winziger Kristallsplitter in den Stoff eingewoben. Auch auf seiner Hand setzte sich das seltsame Phänomen fort, und als er seinen Ärmel hochkrempelte, stellte der Junge erstaunt fest, dass sein ganzer Arm aussah, als habe sich silbriger Sternenstaub in der Haut festgesetzt. Er versuchte, die glitzernde Patina abzureiben, doch erfolglos.
»Bei den Dreigöttern, ich habe keine Ahnung«, entfuhr es Tarean. »Ich hoffe, das bleibt kein dauerhaftes Mal. Die Menschen werden denken, ich hätte irgendeine magische Krankheit.« Er stockte, als ihm bewusst wurde, wie unpassend sein Gejammer angesichts der schrecklichen Geschehnisse der letzten Stunde war. Er blickte seinen Freund an. »Tut mir leid, Iegi. Das mit Raisil, meine ich.«
Die Miene des jungen Vogelmenschen verdüsterte sich. »Ja. Mir auch.«
»Also ich finde das Glitzern hübsch«, erklärte Moosbeere, die neugierig näher gekommen war, völlig unberührt von der gedrückten Stimmung der beiden Jungen. »Nun strahlst du schon fast so schön wie ich, Tarean.«
Tarean bedachte sie mit einem Blick, der mehr als deutlich besagte, dass er diese Aussicht nicht für erstrebenswert hielt.
Sein Freund klopfte ihm auf die Schulter. »Komm. Verschwinden wir von hier. Um alles andere können wir uns später sorgen.«
Tarean nickte. »Gut.« Dann warf er einen Blick zu dem unteren Ende des Schlundschachtes, der über ihren Köpfen in der Höhlendecke gähnte. »Aber wie? Da oben kommen wir – also vor allem ich – doch niemals raus.« Sein Blick huschte zu dem Irrlicht. »Oder?«
»Oh, es gibt einen zweiten Ausgang«, eröffnete ihnen Moosbeere. »Ich habe ihn schon vorhin bemerkt, aber es blieb keine Zeit, euch darauf hinzuweisen, denn auf einmal tauchte der garstige Hexer auf.«
»Einen zweiten Ausgang?«
»Ja. Dort drüben.« Das Irrlicht huschte um einige Kristallsäulen herum und zeigte ihnen ein überraschend großes Loch in der Wand, hinter dem eine breite, roh behauene Wendeltreppe begann. Runen, in der Art, wie sie auch auf Kesrondaias Ketten zu finden waren, bedeckten den Stein – der Zauber, der Calvas’ großes Geheimnis vor den Augen Unbefugter verborgen hatte.
»Ich hatte mich schon gefragt, wie es dem Hexer wohl gelungen war, diesen Drachen hier runter zu schaffen«, bemerkte Iegi, als sie ihre Waffen einsammelten und sich dann mit der Trägheit der völligen Entkräftung an den Aufstieg machten.
Es war bereits später Nachmittag, als sie die Ruinen von At Arthanoc erreichten. Der letzte Teil des Stollens war fast zur Gänze eingestürzt und unter Geröll begraben gewesen. Doch Moosbeere hatte einen schmalen Durchschlupf entdeckt und war hinausgeflogen, um Janosthin zu suchen, und unter der tatkräftigen Hilfe des bärenstarken Setten hatten sie sich schließlich freigegraben.
Bereits während dieser Arbeit hatte Tarean eine ordentliche Standpauke des Hüters über sich ergehen lassen müssen, und auch, als sie sich schließlich wieder gegenüberstanden, wirkte Janosthin wütend auf den Jungen, weil der sich leichtsinnigerweise in den Überresten der Burg herumgetrieben hatte – ohne Schutz und ohne ihm Bescheid zu sagen. »Als ich eure Spuren am Rand des Schlunds entdeckte, wurde mir ganz anders«, knurrte Janosthin, als sie sich auf den Rückweg zu seiner Unterkunft machten. »Und als dann noch diese verrückten Vogelmenschen auftauchten und darauf bestanden, euch zu folgen …« Er schnaubte. »Was ist da unten eigentlich passiert?«
Und Tarean schilderte ihm die Ereignisse, die sich tief unter der Erde regelrecht überschlagen hatten. Mit jeder Enthüllung – der Entdeckung Kesrondaias, dem Auftauchen und der Flucht von Calvas und schließlich der Bürde, welche die Kristalldrachin dem Jungen mit der Rettung der Ihren auferlegt hatte – wurde der Sette immer schweigsamer. Geradezu wortkarg versorgte er die Wunden der Jungen und stellte ihnen etwas zu essen auf den Tisch. Dann nahm er Arev an sich und stapfte im Licht der untergehenden Sonne zurück zu den Ruinen.
»Was hat er vor?«, fragte sich Iegi verwundert.
»Ich nehme an, er will Kesrondaia mit eigenen Augen sehen«, erwiderte Tarean. »Er trägt eine Runenwaffe, wie sie sonst
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