Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
zu Boden und stöhnte schmerzerfüllt auf, als die Bisswunde des Bergfexes an seinem Bein, die Kinrain in den wenigen Nachtstunden, die er geschlafen hatte, noch nicht hatte vollends heilen können, wieder aufbrach.
Aber Tarean gab nicht auf. »So … leicht … besiegt Ihr mich nicht«, keuchte er, während das Schwert aus der Scheide glitt.
Über Raisils Gesicht huschten Wut und Besorgnis, dann verzog es sich zu einem spöttischen Lächeln. »Das will ich auch gar nicht. Nicht heute. Erst einmal will ich diesen Kerker hinter mir lassen. Und du wirst mich nicht aufhalten.« Lachend erhob sie sich in die Luft. »Wir werden uns sicher wiedersehen«, rief der Hexer, bevor er, etwas unbeholfen mit den Flügeln schlagend, aber doch unaufhaltsam, durch den Schlund hinauf zurück zur Erdoberfläche flog.
»Tarean.«
Mit zusammengebissenen Zähnen blickte der Junge auf. Kesrondaias Stimme war nur mehr ein Flüstern in seinem Kopf. »Komm zu mir, Tarean. Bevor es zu spät ist.«
Ächzend schob er die halb gezogene Klinge Esdurials in die Scheide zurück und kroch auf allen vieren zu der gefangenen Kristalldrachin hinüber.
Neben ihm tauchte Moosbeere auf. »Tarean, alles in Ordnung?«, zwitscherte das Irrlicht besorgt.
»Ob alles in Ordnung ist?«, echote er verbissen. Am liebsten hätte er laut geschrien, aber er fühlte sich zu schwach. »Was denkst du denn? Calvas ist entkommen. Er hat Raisil in seiner Gewalt. Und ich fühle mich, als habe mich ein Brull über den Haufen gerannt.« Ein freudloses Lachen entrang sich seiner Kehle. »In dieser Stunde ist nichts in Ordnung.«
»Es tut mir leid«, murmelte Moosbeere betrübt. »Ich konnte ihn nicht aufhalten.«
»Wir alle haben versagt, weil keiner von uns mit dem gerechnet hat, was passiert ist«, knurrte Tarean. »Aber jetzt lass mich für einen Moment mit Kesrondaia sprechen.« Schwankend richtete er sich vor der riesigen Drachin auf. »Hier bin ich.« Behutsam berührte er die matt gewordenen Kristallschuppen ihrer Wange, doch Kesrondaia schien nicht mehr genug Kraft zu haben, um das Bild des Kristalltals vor seinen Augen heraufzubeschwören.
»Ich werde«, flüsterte sie mit schwacher Stimme, »ein letztes Mal all meine Kraft zusammennehmen. Wenn ich den Kopf hebe und meine Brust entblöße, nimm dein Schwert, dein brennendes Schwert, und stoße es mir in den Leib.«
»Nein!«, rief Tarean erschrocken. »Ich kann dich nicht töten.«
»Schweig und hör zu, mein dummes Kind«, tadelte ihn Kesrondaia. »Stoße mir Esdurial in die Brust, und du wirst den Sternkristall finden, die Quelle meiner Kraft. Nimm ihn an dich und bring ihn so rasch wie möglich nach Süden, in die Glutlande. Dort liegt der Eingang in die Dunkelreiche verborgen, in denen der Herr der Tiefe lebt. In diese musst du hinabsteigen, um das Siegel zu finden, welches das Tor zum Gefängnis meiner Brüder und Schwestern verschließt. Mit Hilfe des Sternkristalls kannst du es brechen und sie alle befreien.«
»Aber kannst du überleben, ohne den Kristall in deiner Brust?«, fragte Tarean mit banger Stimme.
»Nein«, erwiderte die Kristalldrachin. »Ich werde sterben. Aber es wird langsam vonstattengehen. Und wenn du schnell genug bist, werden die Meinen mich zu retten wissen.«
Der Junge schluckte. »Wie viel Zeit bleibt mir?«
»Tausend Stunden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Also säume nicht, denn der Weg nach Süden ist lang – und nach Calvas’ Flucht gefährlicher denn je.«
»Kannst du mir nicht genauer sagen, wo mein Ziel liegt?«, bat Tarean. »Die Glutlande sind sicher groß.«
Kesrondaia deutete ein Nicken an. »Begib dich zunächst nach Tiefgestein. Meine Kinder kennen den Weg. Folge ihren Weisungen. Und jetzt zögere nicht länger. Meine Kräfte schwinden.«
Tarean merkte, dass Iegi an seine Seite trat. Mit unsicherer Miene sah er den Freund an. Dieser erwiderte stumm seinen Blick und nickte dann.
»Also gut. Ich verspreche dir, mein Bestes zu geben, die anderen Kristalldrachen zu finden und rechtzeitig mit ihnen zurückzukehren, um dich zu retten.«
»Nicht weniger habe ich von dir erwartet«, sagte Kesrondaia. Langsam schloss sie die lichtdurchfluteten Augen, und der Junge fürchtete schon, zu lange geredet zu haben. Doch dann drang, beinahe unhörbar, ihre Stimme an seinen Geist. »Rufe Esdurial.«
Mit zitternden Fingern zog Tarean das Runenschwert aus seiner Scheide. Er umfasste den Griff mit beiden Händen und hob es vor sich in die Höhe. Dann sprach er das eine
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