Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
aufgehoben und in seine Richtung geschleudert hatte. Er bellte scharf zwei Befehle, und seine verbliebenen beiden Getreuen wandten sich zur Flucht. Hechelnd und japsend suchten sie ihr Heil im Dunkel des Waldes.
»Ja, flieht, ihr Narren!«, rief Aurils Gefährte ihnen mit grollender Stimme nach. »Und kommt bloß nicht wieder!«
Die Albin wischte ihre blutigen Klingen mit etwas Laub sauber und schob sie dann in die auf dem Rücken gekreuzten Scheiden zurück. Ihr Herzschlag hatte sich kaum beschleunigt. Zu schnell war der Überfall vorbei gewesen. »Es ist schon fast ein Jammer, wenn man sieht, wie es nur ein halbes Jahr nach dem Tod ihres Herrn und Gebieters um die einstigen Besatzer der westlichen Reiche bestellt ist«, bemerkte sie. »Zu was sind sie geworden? Räudigen Wegelagerern, die einsamen Reisenden um ein paar Brocken Brot und Fleisch auflauern müssen.«
»Ein paar Brocken meines Fleisches bekommen sie jedenfalls nicht«, knurrte Bromm gereizt. »Habt ihr gehört?«, fügte er etwas lauter und an den Wald gerichtet hinzu.
Auril legte dem Werbär die Hand auf den Arm. »Beruhige dich, Großer. Ich denke, sie haben ihre Lektion gelernt.«
Die Schultern ihres Gefährten sackten nach unten. »Verzeih, Auril. Aber seit At Arthanoc fällt es mir irgendwie nicht mehr so leicht wie früher, in den Wolflingen nur ein leidiges Ärgernis zu sehen.« Mit einer kraftlosen Geste deutete er auf sein schweres Bärenhaupt und den mächtigen, pelzigen Oberkörper, die beide von schwarzen Streifen überzogen wurden, als hätte jemand einen Eimer Pech über dem Bären ausgeschüttet. Es handelte sich um ein Andenken an seinen Zweikampf mit dem dämonischen Grimmwolf, dessen kochendes Blut sich über Bromm ergossen hatte, als dieser im Thronsaal des Hexers das breite Blatt einer Doppelaxt in der Brust des Monstrums versenkt hatte. In seiner Menschengestalt fielen die Hautverfärbungen kaum auf, als Bär ließ sich jedoch kaum verhehlen, dass Bromm eine Begegnung hinter sich hatte, die keineswegs alltäglich gewesen war.
Einem stillen Einvernehmen folgend, sprachen sie nicht darüber, aber Auril wusste, dass sie beide das unbestimmte Gefühl hatten, diese unheilige Taufe habe mehr als nur äußerliche Spuren bei ihm hinterlassen. Der Bär war mürrischer als früher, reizbarer – und obwohl die Wolflinge eine vollständige Niederlage erlitten hatten, hatte er einen Hass ihnen gegenüber entwickelt, der ebenso unversöhnlich wie ungewöhnlich war. Die Albin hoffte, dass die Zeit auch diese Wunde heilen würde.
Sie nickte und lächelte ihrem Gefährten aufmunternd zu. »Komm, wir wollen versuchen, diesen unseligen Wald hinter uns zu lassen, bevor die Sonne untergegangen ist. Ich bin nicht erpicht darauf, bei Nacht die wirklichen Bewohner kennenzulernen.« Denn ich mag zwar nach Abenteuern dürsten, aber lebensmüde bin ich nicht, fügte sie in Gedanken hinzu.
Die brennenden Holzscheite zwischen ihnen knackten und knisterten, und aus dem Alten Wald in ihrem Rücken drangen die unheimlichen Laute nächtlicher Jäger. Ansonsten war es sehr ruhig um das Lagerfeuer, das Bromm und Auril an diesem Abend im Schutze der letzten Baumreihe des südlichen Cerashmon-Ausläufers angezündet hatten. Die Albin saß auf einer Seite des Feuers, die Beine angewinkelt, und versuchte, ein paar große Pilze auf einem Stock zu grillen. Bromm lag in Bärengestalt ihr gegenüber und verspeiste mit leicht verdrossener Miene etwas, das einst ein Wiesel gewesen sein mochte.
»Mit diesem Wald stimmt doch irgendetwas nicht«, murrte er. »Die Bäume sind schwarz, die Tiere sind schwarz – und sie schmecken, als wären sie von mindestens drei unheilbaren Krankheiten gleichzeitig befallen.«
»Vielleicht hast du ein krankes Tier erwischt«, bemerkte Auril. »Es wundert mich überhaupt, dass du hier Beute gefunden hast. Trotz des offensichtlichen Nachtlebens in diesen Schatten ist uns doch während des ganzen Tages kaum ein mickriges Eichhörnchen über den Weg gelaufen.«
Bromm hörte auf zu kauen und starrte den Fleischbrocken in seinen Pranken mit neuem Misstrauen an. Schließlich wandte er sich vom Feuer ab, spuckte kräftig aus und warf die zähen, blutigen Überreste hinter sich in die Dunkelheit. »Du schaffst es noch, mir den letzten Appetit zu verderben«, knurrte er. Sein Magen stimmte in das Knurren ein.
»Hier.« Die Albin hielt ihrem Gefährten den Stock mit Pilzen hin. »Nimm einen Pilz. Zumindest hieran scheint im Alten Wald kein
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