Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Mangel zu herrschen.«
Dankbar klaubte sich der Bär einen der fleischigen, leicht gebräunten Schirme von dem Stock und warf ihn sich ins Maul. »Schon besser«, bemerkte er mit zufriedenem Schmatzen.
Auch Auril griff zu, musste allerdings feststellen, dass die Pilze ohne Kräuter oder Gewürze im Grunde nach gar nichts schmeckten – was sie in Anbetracht ihres Fundortes fast schon wieder auszeichnete.
»Auril, findest du nicht, du solltest das Schweigen zwischen dir und Tarean langsam brechen? Jetzt, wo wir auf dem Weg zu ihm sind«, schnitt der Bär unvermittelt eine Frage an, der Auril bislang erfolgreich ausgewichen war. »So wie ich das sehe, haben wir durch unsere Flucht aus Cayvallon die Absichten deines Vaters, dich Tarean vorzuenthalten, bis dieser zu dem Helden herangereift ist, den Sinjhen sich wünscht, ohnehin durchkreuzt. Dann können wir dem Wunderknaben doch auch verraten, dass wir kommen.«
»Nein.« Die Albin schüttelte den Kopf. »Lass uns ihn überraschen. Wir sind noch fast zwanzig Reisetage von Airianis entfernt. Was nützt es, ihn jetzt schon zu rufen?«
»Vielleicht freut er sich«, entgegnete Bromm.
Auril zuckte mit den Schultern. »Ja, vielleicht. Aber ich denke, es ist besser, wenn er nicht zu viel Zeit hat, über unser Kommen nachzudenken.«
Der Werbär kratzte sich am Bauch und musterte die Gefährtin aufmerksam. »Mir scheint es eher, als hättest du gerne noch ein bisschen mehr Zeit, um nachzudenken, hm?«
Auril wich seinem Blick aus. Du kennst mich zu gut, mein Freund.
Bromm räusperte sich. »Na schön, in diesem Fall solltest du das Wasser des Sehens in deiner Tasche entladen, ansonsten macht mich dieses Glitzern die ganze Nacht unruhig.« Er deutete mit seiner Pranke auf Aurils Tasche, die sie schräg hinter sich an einen niedrigen Ast gehängt hatte, um ihre Verpflegung vor Insekten zu schützen.
Überrascht drehte sich die Albin um, und tatsächlich drang aus den Ritzen des Bündels ein silberweißes Funkeln, so als habe sich ein Irrlicht im Inneren eingenistet, um sich an ihren Vorräten gütlich zu tun. Tarean! Auril spürte, wie ihr Herz einen kleinen Satz in ihrer Brust machte. Sie hatte dem Jungen schon bald nach ihrer Rückkehr ins Almental die Kontaktaufnahme buchstäblich verboten – nicht nur, weil es Sinjhen so gefiel, sondern vor allem, weil sie nicht gewusst hatte, was sie ihm über ihren Aufenthalt auf Cayvallon hätte sagen sollen, ohne dadurch seine Trauer und vielleicht auch sein Misstrauen nur noch mehr zu schüren. Wochenlang hatte er sich an ihr Gebot gehalten. Dass er es ausgerechnet jetzt brach, kurz nachdem sie für sich eine Entscheidung getroffen hatte, stellte ein geradezu unheimliches Zusammenfallen der Ereignisse dar.
»Was willst du tun?«, fragte Bromm leise, als er das kurze Erschrecken der Albin bemerkte.
Auril biss sich auf die Unterlippe. Das Grün ihrer glühenden Albenaugen schien für einen Herzschlag zu flackern. »Lässt du mich für eine Weile allein, Bromm? Bitte.«
Der Werbär schmatzte nachdenklich. Dann nickte er, erhob sich ächzend auf die Hinterbeine und streckte sich mit krachenden Knochen bis zu seiner vollen Größe. »Also gut«, brummte er. »Dann gehe ich mich mal umschauen, ob hier irgendwo noch ein paar Wolflinge im Gebüsch hocken, denen ich das Fell über die Ohren ziehen kann.« Gemächlich tapste er davon, ein hünenhafter Schatten vor dem bleichen Licht der Sterne.
Auril hob ihre Tasche von dem Ast und holte die Phiole mit dem silbernen Wasser des Sehens hervor. Tatsächlich leuchtete und funkelte es auf eine Art, die nur eines bedeuten konnte: Tarean versuchte, mit ihr in Verbindung zu treten. Also schön.
Die Albin seufzte, brachte eine Zinnschale und ihren Trinkschlauch zum Vorschein und füllte die Hälfte ihres Wassers in das flache, breitrandige Behältnis. Dann entkorkte sie die Phiole und ließ drei silberne Tropfen in das Wasser fallen.
Die Tropfen trübten die Flüssigkeit für einen Augenblick, doch plötzlich wurde sie klar und glänzend wie ein Spiegel. Ein Bild erschien, so als schaue Auril durch ein in den Boden der Schale eingelassenes Fenster in eine andere Welt. Der überwiegende Teil dieser Welt bestand aus dem Gesicht Tareans, das ihr, von gelbem Kerzenlicht beschienen, mit glänzenden Augen entgegenblickte. Über ihm konnte man die Holzbalken und dunklen Schindeln einer Behausung erahnen.
»Tarean«, begrüßte Auril den Jungen.
»Auril«, rief er erfreut. »Wie schön, dass du so
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