Target 5
wird?«
»Später. Und wenn du damit fertig bist, möchte ich, daß du abwechselnd mit Sam Gorows Baracke bewachst. Wenn es irgendwelche Schwierigkeiten gibt und keine Zeit zu verlieren ist, gib mit deinem Gewehr einen Schuß in die Luft ab. Wenn du gerade keine Wache schiebst, versuch ein bißchen zu schlafen.«
»Dir würde ein bißchen Schlaf auch nicht schaden«, stellte Langer fest. »Den Löwenanteil hatten wir zu leisten, als wir auf der Scholle trieben. Und ich verzichte gern auf den Schlaf, wenn wir dafür schneller von hier wegkommen. Auf dieser Insel kann man ja das Gruseln lernen – hast du gemerkt, daß die drei Kerle, die auf ihre Evakuierung warten, kurz vor dem Überschnappen sind?«
»Eben deswegen müssen wir behutsam vorgehen«, warnte Beaumont. Er ging aus der Baracke in die eisige Nacht hinaus. Sein Gesicht spannte sich, als er die Tür zumachte. Er konnte die Hauptquartierbaracke gerade noch erkennen, obwohl sie nur zwei Meter entfernt auf der anderen Seite des festgefahrenen Schneepfades lag, der zwischen den zwei Reihen von Gebäuden verlief. Der Nebel hatte sich wieder verdichtet und schien schon in dem Augenblick noch undurchsichtiger zu werden, als er stehenblieb und horchte. In der Nähe hörte er das leise Tuckern des Generators, der Target 5 mit Strom versorgte; und aus der Ferne hörte er etwas anderes – das dumpfe Knirschen und Schürfen des Packeises, das die Insel umgab.
Wenn Target 5 unter dem ungeheuren Druck auseinanderbrach, würde die Katastrophe ganz plötzlich eintreten. Aus dem Nichts würden sich Risse bilden, sich zu Spalten vergrößern, bodenlose Abgründe aufreißen, während die ganze Insel ihren dreißigjährigen Widerstand dem unaufhörlichen Druck des Packeises gegenüber aufgeben würde.
Aber nicht die Insel machte Beaumont in diesem Augenblick Sorgen – es war das, was sich in dem dichten rollenden Nebel auf ihr bewegen könnte, für ihn aber unsichtbar blieb. Er blickte in die Richtung des Hügels, den er nicht sehen konnte, jener seltsamen, dreizehn Meter hohen Erhebung mit ihren eingelagerten Felsblöcken, die über vierzig Kilometer von der nächsten Küste entfernt auf See trieb. Die Kälte biß in seinen Augen; Horst hatte recht, er war verdammt müde. Er überquerte den Pfad, öffnete die Tür der Hauptquartierbaracke und rief Grayson zu sich heraus. Er wartete draußen, während der Amerikaner seinen Parka überzog.
Bezeichnenderweise stellte er keine einzige Frage, als Beaumont ihn über Gorow aufklärte. Während er das Gewehr umhängte, bevor er den Weg hinaufging, äußerte er nur: »Es gibt Ärger da drinnen. Ich würde diesen Sondeborg am liebsten in die nächstbeste Rinne befördern.«
Beaumont gab sich einen Ruck, bevor er hineinging und die Tür hinter sich schloß. Er hatte laute Stimmen von draußen gehört. Jetzt aber schrie Sondeborg geradezu. Er stritt mit Conway. »Wir können mit dem kaputten Sender gar nicht zum Festland durchkommen«, tobte Sondeborg. »Was passiert, wenn die Insel anfängt, auseinanderzubrechen, bevor unser Flugzeug ankommt? Wir sitzen in der Falle…«
Der Schwerkraftspezialist hörte auf zu schreien, als Beaumont die Türschloß. An der gegenüberliegenden Wand standen Etagenbetten. Jeff Rickard, der Funker, saß auf einem der unteren Betten, kaute an einem Streichholz und musterte Sondeborgs hageres Gesicht. Conway lehnte mit verschränkten Armen an einem Tisch in der Mitte des Raumes. Die Ursache für die Röte in seinem sonst so blassen Gesicht war keineswegs die Hitze im Zimmer.
»Verdammt noch mal, Harv, schlaf dich mal richtig aus!« fuhr Rickard ihn an. »Wir haben Besuch, hör auf, deine Seele auszukotzen.« Der Funker, ein fröhlicher, zweiunddreißigjähriger Mann mit schwarzem lockigem Haar, faßte mit der Hand nach dem Arm des anderen. Sondeborg zog ihn schnell zurück und schleuderte Beaumont einen haßerfüllten Blick zu. »Warum sind Sie hier?« verlangte er zu wissen.
»Das habe ich Ihnen vorhin schon gesagt«, erklärte Beaumont geduldig. »Unser Hubschrauber stürzte ab auf das Eis, und wir hatten Glück, es bis hierher…«
»Ich glaube Ihnen kein einziges Wort!«
»Das tut mir leid.« Beaumonts Stimme klang gereizt. Er stellte sein Gewehr in einer Ecke ab, zog seinen Parka aus und legte ihn auf den Tisch. »Sie haben getrunken, nicht wahr?« Diese Schlußfolgerung bedurfte keines besonderen Scharfsinns. Er konnte die Fahne des Wissenschaftlers aus zwei Meter Entfernung deutlich
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