Tarzan 02 - Tarzans Rückkehr
mir tut der Mann leid, den sie liebt«, erwiderte das Mädchen. »Denn er liebt sie. Ich habe ihn nie kennengelernt, aber nach dem, was mir Jane erzählt hat, muß er ganz außergewöhnlich sein. Er wurde im afrikanischen Dschungel geboren und von wilden Menschenaffen aufgezogen. Ehe Professor Porter und seine Leute an der Küste fast vor der Schwelle seiner kleinen Hütte ausgesetzt wurden, hatte er nie einen anderen Menschen gesehen. Er rettete sie vor allen möglichen gefährlichen Raubtieren, vollbrachte die ungewöhnlichsten und unvorstellbarsten Taten, und verliebte sich zu guter Letzt noch in Jane und sie sich in ihn, obwohl sie sich dessen nie sicher war, bis sie sich mit Lord Greystoke verlobt hatte.«
»Höchst bemerkenswert«, murmelte Tarzan und überlegte verzweifelt, wie er das Thema wechseln könne. Er hörte sie gern von Jane erzählen, aber es langweilte ihn und machte ihn verlegen, wenn selbst zum Gesprächsthema wurde. Aber bald ergab sich eine Gelegenheit, da sich die Mutter des Mädchens zu ihnen gesellte und die Unterhaltung allgemeiner verlief.
Die nächsten Tage vergingen ereignislos. Die See war ruhig, der Himmel klar. Der Dampfer durchpflügte unermüdlich mit Südkurs den Ozean. Tarzan widmete sich viel Miss Strong und ihrer Mutter. Sie vertrieben sich die Zeit, indem sie an Deck lasen, sich unterhielten oder mit Miss Strongs Kamera Aufnahmen machten. Nach Sonnenuntergang spazierten sie das Deck entlang.
Eines Tages kam Tarzan hinzu, als Miss Strong mit einem Fremden sprach, den er an Bord noch nie gesehen hatte. Als er sich beiden näherte, verneigte sich der Mann vor dem Mädchen und wandte sich ab, um weiterzugehen.
»Warten Sie, Monsieur Thuran«, sagte Miss Strong; »Sie müssen Mr. Caldwell kennenlernen. Wir sind auf einem Schiff und sollten miteinander bekannt sein.«
Die beiden gaben sich die Hand. Als Tarzan Monsieur Thuran anblickte, kam ihm das Gesicht seltsam vertraut vor.
»Ich bin mir sicher, daß ich schon einmal die Ehre hatte, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte Tarzan, »obwohl mir jetzt nicht einfällt, wann und wo.«
Monsieur Thuran erschien sehr verlegen.
»Das weiß ich nicht, Monsieur«, erwiderte er. »Es kann sein. Ich habe schon oft erlebt, daß mir jemand bekannt vorkam, der mir eben erst vorgestellt wurde.«
»Monsieur Thuran hat mir gerade einige der Rätsel der Navigation erklärt«, erzählte das Mädchen.
Tarzan verfolgte das weitere Gespräch nicht sehr aufmerksam – er zerbrach sich den Kopf, wo er Monsieur Thuran schon gesehen hatte. Es war unter eigentümlichen Umständen gewesen, das wußte er noch genau. Bald wanderte die Sonne weiter, und die junge Frau bat Monsieur Thuran, ihren Stuhl in den Schatten zu rücken. Tarzan beobachtete den Mann, und da fiel ihm die merkwürdige Art auf, mit der er den Stuhl anpackte – sein linkes Handgelenk war steif. Der Hinweis genügte – eine plötzliche Gedankenverbindung, und er wußte Bescheid.
Monsieur Thuran suchte noch immer nach einem Vorwand für einen unauffälligen Abgang. Die Gesprächspause, die dem Stühlerücken folgte, gab ihm die Möglichkeit, seine Entschuldigungen vorzubringen. Er verbeugte sich tief vor Miss Strong, nickte Tarzan zu und wollte gehen.
»Einen Moment bitte«, sagte Tarzan. »Miss Strong, würden Sie mich kurz entschuldigen? Ich möchte ihn noch etwas fragen. Ich bin gleich wieder zurück.«
Monsieur Thuran wirkte betroffen. Als sie außer Sichtweite der jungen Frau waren, blieb Tarzan stehen und legte dem Mann die schwere Hand auf die Schulter.
»Was ist das jetzt für ein Spiel, Rokoff?« fragte er.
»Ich verlasse Frankreich, wie ich es Ihnen versprochen hatte«, erwiderte der Gefragte unfreundlich.
»Ja, das sehe ich«, antwortete Tarzan. »Aber ich kenne Sie zu gut, als daß ich glauben könnte, Ihre Anwesenheit auf demselben Schiff sei purer Zufall. Selbst wenn ich es glauben könnte, würde die Tatsache, daß Sie sich verkleidet haben, mich vom Gegenteil überzeugen.«
»Nur weiß ich nicht, was Sie jetzt unternehmen wollen«, brummte Rokoff und zuckte mit den Schultern. »Das Schiff fährt unter englischer Flagge. Ich habe dasselbe Recht, an Bord zu sein, wie Sie, und da Sie unter einem falschen Namen gebucht haben, vielleicht sogar ein bißchen mehr, könnte ich mir vorstellen.«
»Darüber wollen wir uns nicht streiten, Rokoff. Was ich Ihnen sagen wollte, betrifft Miss Strong. Halten Sie sich von ihr fern – sie ist eine anständige Frau.«
Rokoff
Weitere Kostenlose Bücher