Tarzan 04 - Tarzans Sohn
an seine vom Wetter gegerbten schmiegten.
Die Stimme eines Wachpostens, der einen Korporal herbeirief, riß ihn aus seinen Träumen. Captain Jacot blickte auf. Die Sonne war noch nicht untergegangen, aber die Schatten der wenigen Bäume, die sich um das Wasserloch drängten, und die seiner Männer und ihrer Pferde streckten sich über den jetzt goldenen Sand weit nach Osten. Der Posten wies in diese Richtung, und der Korporal blickte zwischen verengten Lidern dorthin. Captain Jacot stand auf. Er war nicht der Mann, der sich damit zufriedengab, daß andere Augen für ihn sahen. Er mußte selbst sehen. Gewöhnlich entdeckte er die Dinge lange, ehe andere gewahr wurden, daß es etwas zu sehen gab – ein Charakterzug, der ihm den Beinamen ›der Falke‹ eingebracht hatte. Nun sah er weit hinter den langen Schatten ein Dutzend Pünktchen, die in den Sanddünen aufstiegen und wieder herabfielen. Sie tauchten auf und verschwanden, wurden jedoch ständig größer. Jacot erkannte sie sofort. Es waren Reiter – Wüstenreiter. Schon kam ein Sergeant zu ihm gelaufen. Das ganze Lager starrte in die Richtung. Jacot erteilte dem Sergeanten ein paar kurze Befehle. Dieser salutierte, machte kehrt und ging zu den Männern zurück. Er rief ein Dutzend auf, sie sattelten die Pferde, saßen auf und ritten den Fremden entgegen. Die übrigen bereiteten sich auf schnelle Aktionen vor. Es war nicht auszuschließen, daß die Reiter, die sich dem Lager so rasch näherten, Freunde der Gefangenen waren, die ihre Stammesgenossen in einem Handstreich befreien wollten. Jacot bezweifelte dies jedoch, da die Fremden keinen Versuch machten, sich ihnen unbemerkt zu nähern. Sie kamen ganz offen vor aller Augen auf das Lager zugeritten. Das konnte natürlich auch Täuschung sein. Aber niemand, der den Falken kannte, würde sich der törichten Hoffnung hingeben, ihn hinters Licht führen zu können.
Der Sergeant und sein Trupp trafen zweihundert Yards vom Lager entfernt mit den Arabern zusammen. Jacot konnte sehen, wie er mit einer großen, weißgekleideten Gestalt – offensichtlich dem Anführer der Truppe – verhandelte. Dann kamen beide nebeneinander zum Lager geritten. Jacot erwartete sie. Die zwei hielten die Pferde an und saßen ab.
»Scheich Amor ben Khatour«, sagte der Sergeant, wohl um den anderen vorzustellen.
Captain Jacot sah ihn sich genauer an. Er kannte fast jeden einflußreicheren Araber im Umkreis von einigen Hundert Meilen. Diesen hatte er nie zuvor gesehen. Er war ein großer, verbittert dreinschauender Mann von etwa sechzig Jahren oder noch älter und mit einem vom Wetter gegerbten Gesicht. Seine engstehenden Augen flößten kein Vertrauen ein. Dem Captain mißfiel die ganze Erscheinung.
»Was gibt’s?« fragte er.
Der Araber kam gleich zur Sache.
»Achmet ben Houdin ist meiner Schwester Sohn«, sagte er. »Wenn Sie ihn in meine Hände geben, werde ich dafür sorgen, daß er nie wieder gegen die Gesetze der Franzosen verstößt.«
Jacot schüttelte den Kopf. »Das geht nicht«, erwiderte er. »Ich muß ihn mitnehmen. Er wird vor ein Zivilgericht gestellt werden und einen ordentlichen und fairen Prozeß erhalten. Sollte er unschuldig sein, wird man ihn freilassen.«
»Und wenn nicht?« fragte der Araber.
»Ihm werden viele Morde vorgeworfen. Sollte er auch nur einen davon wirklich begangen haben, wird er sterben müssen.«
Die linke Hand des Arabers war unter dem Burnus verborgen. Nun zog er sie hervor, und mit ihr eine große, aus Ziegenhaut gefertigte Geldtasche, prall gefüllt und schwer. Er öffnete sie und ließ eine Handvoll Münzen in seine rechte Hand rieseln. Es waren gute, französische Goldstücke. Aus der Größe der Geldtasche und ihrem Umfang schloß der Captain, daß sie ein kleines Vermögen enthalten mußte. Scheich Amor ben Khatour ließ die Goldstücke einzeln wieder in die Tasche fallen. Dann zog er die Schnüre fest. Die ganze Zeit sagte er kein Wort. Jacot blickte ihn mit schmalen Augen an. Sie waren allein. Der Sergeant hatte sich ein Stück entfernt, nachdem er den Besucher vorgestellt hatte, und kehrte ihnen den Rücken zu. Nun hielt der Scheich die pralle Geldtasche Jacot hin.
»Achmet ben Houdin, meiner Schwester Sohn, kann heute nacht fliehen, nicht wahr?« sagte er.
Eine dunkle Röte ergoß sich bis in Captain Jacots Haarwurzeln. Dann wurde er wieder ganz bleich und trat mit geballten Fäusten einen halben Schritt auf den Araber zu. Im letzten Moment unterdrückte er den Impuls
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