Tastenfieber und Liebeslust
sich so geändert! Alles im Kopf dreht sich nur noch um meine Maestra. Dass mir altem Blaubart noch so etwas passieren kann! Verrückt.
Dein verliebter Koch, der nicht mal mehr Kartoffeln hinkriegt und den Rest anbrennen lässt.
Merken Sie sich: Entweder lassen Sie mich in Zukunft in der Küche allein werkeln, oder Sie müssen nach jedem Besuch zwei neue Töpfe kaufen.
3. April – 21:54 Uhr
Amore,
schade, dass ich Dich gerade nicht umarmen kann!
Also, Du konntest doch etwas arbeiten? Das freut mich, denn sonst hätte ich ein schlechtes Gewissen, dass ich Dich vom rechtschaffenen Weg abbringen könnte!
Der Abend mit Heinrich liegt mir schwer im Magen! Ich bin fassungslos über sein verletzendes Verhalten – nicht nur Dir, sondern damit ja auch mir gegenüber.
Ich habe nach dem Tod von Vladimir, mit dem ich 17 Jahre meines Lebens teilte, jeden Tag geweint. Ein Jahr lang. Es war auch nicht leicht für mich, alleine in Berlin neu anzufangen. Mit Dir fing ich wieder an zu lachen, und das weiß Heinrich.
Statt sich mit mir zu freuen, dass ich nach der langen Trauerzeit einen neuen Freund gefunden habe, der mich erfreut und umsorgt, zeigt er seine Ablehnung und Missachtung – natürlich nicht zuletzt auch deswegen, weil Du aus dem ihm verhassten Adel kommst. Das Irre dabei ist, dass er selbst mit einer Adligen verheiratet ist!
Na ja, ich habe ihm heute folgendes geschrieben:
›Heinrich, Du kannst nicht mit jedem Deiner Gesprächspartner wie mit Deinen Studenten umgehen. – »Alles Quatsch, was Du redest« – x-mal von Dir wiederholt – das sind verletzende Worte, die den Anderen klein und Dich groß machen sollen. Hast Du das nötig?
Maximilian ist Arzt und Architekt, ist Bioökologe und Geschichte ist sein Hobby. Wenn Du meinst, etwas genauer und besser zu wissen als er, ist das kein Grund für lautstarke Beleidigungen. Lehrerhaft muss es wirklich nicht sein. Und: Maximilian kann genau so wenig dafür, dass er adlig ist, wie Du, dass Dein Bruder den Freimaurern beigetreten ist.‹
Mal sehen, was er antwortet!
Heute habe ich endlich und völlig alleine das Homebanking hingekriegt und meine Schulden bezahlt. Ist ja total einfach. Aber das weiß man erst, wenn man es ausprobiert. Es gibt noch andere Bereiche, in denen man das feststellen kann.
Wie wirst Du mich denn in Deinem Familienkreis vorstellen? Als PDS-Wählerin? Oder als Deine neue Domina? Das muss ich vorher unbedingt wissen.
Ich lebe augenblicklich auch nicht normal, d. h. ich habe gar keine Disziplin, falle am Tag in Tiefschlaf und denke an Dich … natürlich immer mit Freude, auch wenn Du meine Kochtöpfe ruinierst.
Ich umarme Dich
Deine Eva
3. April – 22:28 Uhr
Liebste Eva,
ruinierte Töpfe kränken mich mehr in meiner Ehre als alle beruflichen Flops. Wenn das mein viel zu früh verstorbener Freund Francois wüsste!
Von ihm habe ich Kochen, ja eigentlich viel mehr gelernt. Er äußerte sich immer, wenn er in Deutschland abends mit Leberwurst und Bierschinken abgefüttert wurde, sehr erstaunt über die deutschen Essgewohnheiten.
Für ihn war Essen hohe Kultur, und er sprach oft davon, dass man bei einem Lebensalter von 80 Jahren ca. zehn Jahre mit Essen verbringen würde. Wichtig sei für die Lebensqualität eben nicht ein herrlich zubereitetes Hochzeitsessen oder ein raffinierter Leichenschmaus, also einmalige Fressereien, sondern die tagtägliche Verfeinerung jedes einzelnen Gerichts.
Du kannst Dir sicher vorstellen, wie er Currywürste und Hamburger kommentierte! Manchmal sagte er mir »Ich kann und werde die Deutschen nie verstehen. Einzigartige Dichter, Philosophen, Komponisten. Im Theater, in der Musik, besonders bei den Orchestern wird auf höchste Qualität geachtet. Bei Maschinen, Autos, überall ist ›Made in Germany‹ ein hochgeachteter Begriff. Im Fußball hingegen fehlt jeder Esprit, jede Eleganz, nur der Erfolg zählt. Und am schlimmsten ist das Essen. Da geht es mit Kartoffelsalat und Würstchen wohl nur ums Überleben. Wie man bei solch einem Fraß ein Volk von Übergewichtigen hinkriegt, ist mir unverständlich«.
Es ist fast absurd: Aber ein Franzose führte mich in ›unsere‹ Musik ein. Nur durch ihn bin ich ein begeisterter Wagnerianer geworden. In den 60ern wurde man doch gleich in eine Schublade gepackt, wenn man sagte, man würde die Wagnersche Musik lieben, wobei am lautesten die waren, die ›Tristan‹ nicht von ›Parzival‹ unterscheiden konnten.
Francois promovierte, hoch
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