Tastenfieber und Liebeslust
Affe
27. Juni – 17:26 Uhr
Ich bin Ziege:
Die Prinzipien der Mütterlichkeit, Fürsorge und Hingabe werden im chinesischen Tierkreis von der Ziege verkörpert. Ziegen stecken voller Sanftmut und Mitgefühl. Sie sind die Seelentröster schlechthin, weil sie gut zuhören und aufbauen können. Bei so viel Sensibilität sind sie natürlich auch empfindlich und verletzlich, denn wer so gemütvoll und feinfühlig ist, muss sein zartes Inneres schließlich irgendwie schützen.
Und eben diesen Mechanismus praktizieren Ziegen perfekt. Sie leben mit dem Gefühl, ein einmaliges Individuum zu sein. Wie ein geistiger Nomade sind Sie ohne Rast ständig auf der Suche nach neuen Anregungen. Das Leben fordert Sie auf, kreativ zu werden und eigene Ausdrucksformen zu entwickeln. Nicht in der unverbindlichen Gemeinsamkeit einer Gruppe liegt Ihr Weg, sondern als tatkräftiger und risikofreudiger Einzeldarsteller.
27. Juni – 17:31 Uhr
Mein liebes Zicklein,
was ist mit Liebe und Beziehung, heute, morgen und den nächsten 30 Jahren? Dies fehlt noch. Ich zittere vor Aufregung. Sag ja!
27. Juni – 17:40 Uhr
Ach, Amore,
glaubst Du wirklich, dass wenn wir die nächsten vier Tage mit amour fou erleben, wir dann nächste Woche vernünftiger sein werden? Ich glaube eher, es wird dann noch schlimmer mit uns werden. Ich sage trotzdem ja.
Weil ich jetzt lebe und jetzt Sehnsucht nach Dir habe, und Du mir ganz schrecklich fehlst. Und weil ich Deinen Sofortbefriedigungswahn auch noch liebe.
Aber dann darfst Du nicht mehr schimpfen und sagen: »Wie soll das denn mit uns die nächsten Jahre weitergehen? Wenn Du mich immer so schlapp machst, kann ich am nächsten Tag nicht richtig denken, sondern nur von Dir träumen. Und meine Arbeit?«
Es ist kalt in meiner Wohnung. Hast Du Holz, damit wir den Kamin anzünden können? Ich friere ohne Dich, Geliebter.
Besser wäre es bestimmt, wenn wir uns erst morgen treffen würden. Du weißt: Alles, was man übertreibt, verwandelt sich in Herzeleid! So der Volksmund. Ich möchte nicht, dass Du müde an mir wirst.
Eva, Dein Zicklein
27. Juni – 17:47 Uhr
Amore,
ich bin so unbeschreiblich glücklich! Was schert mich die nächste Woche? Taue den Lachs und den Spinat auf! Solltest Du noch einkaufen, denke bitte an Parmesankäse oder Mozzarella. Holz für den Kamin, eine Tomatenbüchse und Muskat bringe ich mit. Ansonsten, da Monatsende, bin ich ziemlich blank! Ich liebe Dich.
Dein Affe
29. Juni – 15:17 Uhr
Mein liebes Evachen,
vorhin war ich entsetzt über Deine Reaktion. Wie schnell Du Partei gegen mich ergreifen kannst, obwohl Du die Hintergründe und Zusammenhänge nicht kennst, ist schon erstaunlich.
Ich bin Arzt und meine Schwester war behindert. Ich denke, Dir müsste in den vergangenen Wochen klargeworden sein, dass ich gern helfe und in Harmonie leben will. Obwohl Du meine Art und meinen Charakter doch etwas kennst, fragst Du Dich nicht, warum ich so unerwartet und nach Deiner Meinung unsensibel und lieblos auf einen Behinderten im Bus reagiert habe. Du siehst mal wieder nur das Äußere und fragst nicht nach den Hintergründen.
Der Mann hatte nämlich gar kein Recht, mich von dem Platz zu verscheuchen! Behinderte müssen sich nicht auf diesen Platz setzen, sondern müssen jeden freien Platz nehmen. Nur dann, und zwar nur, wenn es keinen freien Platz gibt, können sie ihr Recht, einen speziell ausgewiesenen Platz zu bekommen, einfordern. Ich denke zu Deinen Gunsten, dass Du dies alles nicht wusstest. Aber dieser Mann wusste es, denn es steht in dem Bescheid, den er erhielt und auch in seinem Ausweis. Ich weiß dies, weil ich mal Gutachter fürs Versorgungsamt war und dabei auch den Grad der Behinderungen feststellen und dem Amt einen Vorschlag für die Rechte des Antragstellers (spezieller Parkplatz, kostenfreie Gehhilfen etc.) unterbreiten musste.
Also was war vorhin passiert?
Obwohl es freie Plätze gab, nahm er sich ein Recht heraus, das ihm nicht zustand. Dies, obwohl er sah, dass wir uns unterhielten und ein Hund dalag. Er machte also eine ihm nicht zustehende Bevorzugung geltend, nur um seine Macht zu dokumentieren und um uns zu ärgern. Sein Pech war, dass ich sofort erkannte, dass er nicht nur körperlich behindert war, sondern auch tyrannisch gegen fremde Menschen seine Behinderung ausnutzt.
Anstatt mich zu fragen: ›Warum machst Du das denn? Diese Reaktion passt doch gar nicht zu Dir!‹, machst Du mir gleich Vorwürfe. Und nicht
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