Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
auf die Dateien, sondern ich schätze mal, er schafft es auch, das, was auf Ihrem Computer ist, zu nutzen, um auf den Server von Dad zu gelangen.« Weit wird er vielleicht nicht kommen, aber wenn man mich fragt, ist selbst ein wenig schon zu viel.
Charles blickt finster drein, bewegt sich aber weg, und mir fällt auf, dass meine Mutter mich nicht dafür rügt, so mit ihm gesprochen zu haben. Ich werfe einen Blick zu ihr und frage mich, ob sie ihrem alten Freund wohl noch genauso vertraut wie eh und je. Dann schaue ich über meine Schulter und sehe Christina, die im Flur steht und den Blick zwischen Charles und mir hin und her wandern lässt. Wahrscheinlich ist es offensichtlich, wie wenig ich ihn mag, aber das ist im Moment meine geringste Sorge. Ich starte die Firewall neu und lösche die Revisionsaufzeichnungen, während meine Mutter den Scanner in Christinas Rucksack packt.
»Fahren wir zurück nach New York?«, fragt Christina mit gedämpfter Stimme, als sie den Raum betritt.
Mom wendet sich ihr zu. »Du ja. Sobald George mit dem Scanner weg ist, kontaktieren wir sowohl die Fünfzig als auch den Kern und nehmen die Verhandlungen auf. Du bist dann in Sicherheit.« Mit einem Seitenblick auf mich fügt sie hinzu: »Aber Tate und ich werden nach Chicago fahren müssen.«
Ich beende meine Arbeit an Charles’ Computer und laufe zu Christina, um ihre Hand zu nehmen und zu drücken. Sie muss wieder zurück zu ihrer Familie, aber es wird höllisch wehtun, sie gehen zu lassen. Sie kommt mir ein Stück entgegen und drückt ihr Gesicht an meinen Hals, als würde sie dasselbe empfinden.
Gerade als ich den Mund aufmache, um Mom zu fragen, wie wir Christina sicher zurück nach New York kriegen, höre ich von draußen einen Schrei, gefolgt von einem schrillen Lachen.
Ich schaue Charles an, der die Augen verdreht und abwinkt. »Denkt daran, ihr seid auf einem Universitätsgelände. Wir haben zu jeder Tages- und Nachtzeit Flitzer auf dem Rasen, die nackt losrennen, um die Statue auf den Stufen des Rundbaus zu küssen. Nur sehr wenige sind dabei nüchtern.«
Ein weiterer Schrei, noch schriller. Diesmal verzweifelt und verängstigt. Dann Stille.
Charles runzelt die Stirn.
Eine Sekunde später sind meine Mutter und ich am vorderen Fenster und in der Dunkelheit vor dem Sonnenaufgang kann ich nur weißes Fleisch und die flatternden blonden Haare eines Mädchens sehen. Nackt, wie Charles vorhergesagt hat. Neben den Stufen des Rundbaus, wie Charles vorhergesagt hat.
Sie tritt und schlägt um sich, während eine schwarz gekleidete Gestalt ihr eine Hand auf den Mund hält und sie über den Rasen in ein Gebäude zerrt.
Das hatte Charles nicht vorhergesagt.
Ich blinzele und sehe ein weiteres halbes Dutzend Gestalten über das ausgetretene Gras rüber zu unserem Gebäude schleichen. Mein Puls beschleunigt sich rasend, als mir klar wird, dass Charles Race keineswegs hereingelegt hat.
Meine Mutter flucht flüsternd. »Er ist schon hier«, sagt sie mit erstickter Stimme und wirbelt vom Fenster weg. Sie packt mich am Arm und schiebt mich zur Tür. »Bewegung!«
Charles dreht seinen Stuhl um und gestikuliert in Richtung meiner Mutter. »Schreib George und ändere den Treffpunkt. Wir müssen den Scanner von hier wegschaffen. George kann uns bei Walmart am Stadtrand treffen.«
Während meine Mutter ihr schwarzes Geheimtelefon nutzt, um mit George zu kommunizieren, rast Charles durch den Flur und kommt einen Moment später mit einer schwarzen Tasche auf seinem Schoß zurück. Meine Mutter übergibt mir Christinas Rucksack mit dem Scanner. Charles öffnet die schwarze Tasche und reicht meiner Mutter eine Waffe, dann holt er eine weitere für sich selbst heraus.
»Haben Sie dadrin irgendwas für mich?«, frage ich und starre auf die vielen Magazine in der Tasche. Ich bin ein ziemlich guter Schütze, sowohl mit Gewehren als auch mit Handfeuerwaffen, und meine Mom hält eine normale halb automatische Pistole in der Hand, nichts Raffiniertes.
»Nein. Und du bleibst nicht hier. Du nimmst den Scanner«, sagt meine Mutter, die neben der Tür steht und die Waffe entsichert.
»Und du?«
Sie sieht mich streng an. »Ich sorge dafür, dass ihr hier rauskommt.« Ohne meine Antwort abzuwarten, zieht sie die Tür auf und schwenkt in den Flur, wo sie mit zügigem, geübtem Blick die Lage überprüft und niemals die Waffe sinken lässt.
»Treppe?«, fragt sie.
»Rechts«, sagt Charles. Er bietet ihr die Tasche voller Magazine an.
Sie nimmt sie
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