Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
zusammen. »Die Sicherheitsvorkehrungen um diese Hütte scheinen ziemlich streng zu sein.«
Meine Mom bedenkt mich mit einem gequälten Blick. Ihre Augen sind leicht geschwollen und ich muss an ihr Schluchzen von gestern Abend denken.
»Das stimmt«, sagt sie. »Und die Lage ist geheim – dein Vater ist … war sehr gut in diesen Dingen. Aber wenn sie Straßensperren und Kontrollpunkte einrichten, wird es schwer für uns, hier rauszukommen. Wir müssen vorher weg sein.«
»Alles klar«, sage ich, während ich aus dem Bett steige und in Richtung Kommode gehe.
»Gut.« Sie zögert einen Moment. »Christina ist schon aufgestanden. Sie sieht besser aus.« Dann geht sie, und ich starre auf die Kleider in der Kommode, die einst meinem Vater gehört haben.
Ich ziehe ein Henleyshirt und eine Jeans an und wühle dann überall nach einem Gürtel. Ich muss mich schnell bewegen können, auch rennen, wenn es sein muss. Dabei kann ich keine Hosen brauchen, die mir im ungünstigsten Moment auf die Knie rutschen.
Dafür komme ich aber im günstigsten Moment in den Flur. Ich hoffe, das ist so was wie ein gutes Omen. Christina tritt gerade aus dem Badezimmer, ein Handtuch eng um ihren Körper geschlungen und ein anderes um den Kopf gewickelt. Als sie mich sieht, zuckt sie zusammen, worauf ihr Handtuchturban auf den Boden fällt und ihr feuchte Efeuranken aus Haaren über die nackten Schultern rutschen.
So sollte jeder Morgen anfangen. Mein Gott.
»Hi«, sagt sie.
»Hi. Gut geschlafen?« Verdammt, meine Stimme ist gerade gekippt.
Sie lächelt ein köstliches Lächeln, ein süßes Kräuseln ihrer Lippen. Hat sie mir verziehen oder ist das bloß ein vorübergehender Waffenstillstand?
»Ich hab wirklich gut geschlafen. Das hab ich aber auch gebraucht. Und du? Auch gut geschlafen?«
Ich habe kaum geschlafen. Lag mit geballten Fäusten und angespannten Muskeln da und habe die Tränen bekämpft. »Ja, wie ein Toter«, flunkere ich. »Wie lange brauchst du, um dich fertig zu machen?«
Sie bedenkt mich mit einem Blick, der mir zu verstehen gibt, dass sie den Scheiß, den ich da labere, schon wieder durchblickt hat. »Nicht lang.«
Das ist der Augenblick, in dem ich etwas Cooles oder Witziges sagen sollte, etwas, das das langsame Abrutschen in die Peinlichkeit aufhält, etwas, das alles besser macht. Aber … irgendwie versäume ich es, als würde ich einen Moment zu spät kommen und dem Zug dabei zusehen, wie er den Bahnhof ohne mich verlässt. Christinas Lächeln lässt nach, und ihre Finger greifen das Handtuch fester, um es über ihrer Brust zu halten.
Als wir die Stimme meiner Mutter hören, die aus dem Zimmer dringt, das gleich neben der Küche liegt, ist es, als hätte uns jemand einen Rettungsring zugeworfen. Wir reagieren beide zugleich, weil wir uns auf etwas anderes konzentrieren müssen.
»Ich verstehe. Erzählen Sie ihnen nichts«, befiehlt meine Mutter.
Mit großen Augen starren wir einander an.
Christina beißt sich auf die Lippe. »Weißt du, mit wem sie da spricht?«
»Nein.« Ich hasse dieses Gefühl, dass ich nicht einmal meiner eigenen Mutter trauen kann. Es treibt mich in die Enge und ich fühle mich allein und gefangen. Sie weiht mich nicht ein, weil sie anscheinend denkt, dass ich immer noch der zwölfjährige Junge bin, den sie vor vier Jahren zurückgelassen hat. Ich hatte gehofft, diesen Scheiß könnten wir vergessen, nachdem wir uns letzte Nacht gestritten haben, aber jetzt bin ich da nicht mehr so sicher.
»Sie … sie wird mir doch nichts … tun, oder?«, fragt Christina, meine Gedanken unterbrechend. »Weil ich …« Sie zuckt zusammen. »Weil ich nicht so bin wie ihr?«
Ich berühre sie an der Schulter. »Das würde ich nicht zulassen.«
Habe ich aber schon. Doch ich werde nicht alles noch komplizierter machen, indem ich ihr das erzähle. Christina schießt einen nervösen Blick in meine Richtung und geht dann schnurstracks zu ihrer Schlafzimmertür, lässt mich im Flur stehen, wo ich mich bemühe, den Rest der Unterhaltung zu verstehen, die meine Mutter gerade führt. Hier und da schnappe ich ein paar Wörter auf; ich denke, sie spricht mit jemandem darüber, wann wir ankommen werden.
Ich höre, dass sie auflegt, und entscheide, dass ich genug habe. Dann ziehe ich Dads Telefon aus meiner Hosentasche und wähle Georges Nummer.
Er nimmt sofort ab. »Tate. Ich wollte dich gerade anrufen.«
»Hey«, sage ich. »Du … weißt das mit Dad, stimmt’s?« Muss er ja, schließlich wusste er
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