Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
Gesellschaft.«
Ich folge ihm zu den Tischen, sehe aus dem Augenwinkel meine Mutter, die freundlich mit einem Haufen rotwangiger mittelalter Frauen plaudert, die dauernd den Kopf drehen und mir Blicke zuwerfen, die mich frösteln lassen. Auf die schlechte Art.
Bis ich am Tisch ankomme, hat jemand anderes die Hobbit-Fantasie unterbrochen, ein Typ mit wuchtigen Schultern, der aussieht, als könne er das Mädel entzweibrechen. Der Hobbit übergibt ihm Christina und sieht mit missgünstiger Miene zu, wie der andere mit ihr tanzt. Meine Hand schließt sich fester um den Griff des Keramikkruges. Es fühlt sich an, als wären wir vom Pionierfilm direkt zur Landei-Version von Die Bachelorette gesprungen.
»Wir erziehen unsere Jungs zu Gentlemen«, lässt Rufus mich wissen. »Sie kriegen nur nicht oft so eine Chance wie diese.«
Ich schaue rüber zu Rufus, entdecke ein vergnügtes, aber messerscharfes Funkeln in seinen Augen. Das ist sein Reich, einen knappen Kilometer breit, beinahe gänzlich autark, eingegrenzt durch einen unsichtbaren, doch tödlichen Zaun, der die Außenwelt draußen hält. Was für ein Mann baut sich so ein Königreich? Was hat ihn dazu gebracht?
»Wie lange sind Sie schon hier?«, frage ich.
Er trinkt seinen Krug aus und knallt ihn auf den Tisch. Sein Schnurrbart ist ganz schaumig. »Vor ungefähr achtzig Jahren hat mein Großvater beschlossen, mit unserer Familie unterzutauchen. Das war im Grunde nach dem Cermak-Mord. Nachdem die H2 klargestellt hatten, dass sie uns unverhohlen und öffentlich verfolgen würden, wenn wir aus der Reihe tanzten. Wir waren an ein paar anderen Orten, aber hier? Ach, vielleicht vierzig Jahre. Mein Vater hat mich aufs College geschickt. Eine Zeit lang habe ich dann für Black Box gearbeitet. Vor zwanzig Jahren bin ich zurückgekommen, aber ich blieb weiterhin an der Firma beteiligt, bis mir klar wurde, wie korrupt sie geworden ist.«
Er wirft einen Blick auf meinen Krug. Ich nehme einen Schluck und bin überrascht, wie gut es schmeckt. Ich trinke noch einmal und sage dann: »Also … Black Box …«
»Es ist eine Fassade. Eine Einnahmequelle für die Familien der Fünfzig, außerdem eine Quelle der Macht und des Einflusses, um die Bedrohung durch den Kern auszugleichen. Aber das eigentlich Wichtige spielt sich hinter den Kulissen ab; unsere hellsten Köpfe denken zwei Schritte voraus. Oder, im Falle deines Vaters, vier Schritte. Mit Black Box wollten wir uns schützen, als der Kern beschlossen hat, uns zu eliminieren, obwohl ein paar Idioten dachten, das würde nie passieren.« Er knurrt. »Bist du technisch begabt, so wie dein Vater?«
Ich zucke die Achseln. »Schon.«
»Sei nicht so bescheiden. Fred war stolz auf dich. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, hat er mir erzählt, du hättest ein Flüssigkeitenübertragungssystem zur DNA -Gruppierung erfunden, für das du ein paar deiner automatischen Lego-Spielsachen verwendet hast.«
Wärme kriecht meinen Nacken hinauf. Das hat ihm mein Vater erzählt?
»Das war bloß ein Unterrichtsprojekt«, sage ich.
Eins, für das ich inzwischen ein Patent habe.
Er schmunzelt. »Genau wie dein Dad. Die H2 waren in der Lage, diesen Planeten zu übernehmen, weil sie uns in Sachen Technologie jahrhunderteweit voraus waren. Sie mögen ihre Technik verloren haben, als alle ihre Raumschiffe im Meer gelandet sind, aber sie wussten, was sie taten.«
»Nach dem, was meine Mom erzählt hat, haben sie den Großteil der Wracks zurückerobert.«
Er zieht eine Augenbraue hoch. »Mit Ausnahme dessen, was die Archers gefunden haben. Mit seiner Entdeckung hat uns dein Dad die Macht gegeben, Freund von Feind leicht zu unterscheiden. Er gab uns die Fähigkeit, unser Schicksal zu kontrollieren.«
Während ich darüber nachdenke, beobachte ich die Tänzer. Rufus will den Scanner auf dieselbe Art gebrauchen, wie es seiner Meinung nach die H2 tun würden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm seine Idee, die H2 würden die Menschen herauszüchten, wirklich abkaufe. Was würde das ändern? Die meisten H2 wissen sowieso nicht, was sie sind, und die menschliche Bevölkerung schwindet Tag für Tag. Und dennoch sind die Mitglieder des Kerns hinter dem Scanner her, als würden sie ihn dringend brauchen. Ich bin mit Rufus einer Meinung, dass sie ihn nicht nur haben wollen, um ihn zu besitzen. Sie wollen ihn benutzen.
Wofür also wollte ihn mein Vater benutzen? So, wie Rufus redet, wusste er genau, was mein Dad getan hat. Aber er könnte auch –
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