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Tatjana

Tatjana

Titel: Tatjana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Cruz Smith
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Geringste.«
    »Vor sechs Monaten.« Sie hielt das Röntgenbild über die Lampe und dann die zweite Aufnahme darüber. »Vor einer Woche.«
    Die Röntgenbilder vermischten sich zu einem einzigen durchsichtigen Schädel, völlig gleich bis auf einen weißen, jeweils eingekreisten Fleck.
    »Etwas hat …«
    »… sich bewegt«, bestätigte Dr. Korsakowa. »Wir wissen nie, ob so ein Fragment an Ort und Stelle bleibt oder ob und in welche Richtung es sich bewegt. Bei Kriegsveteranen tritt selbst nach fünfzig Jahren noch Schrapnell hervor. Wir wissen, dass Gewalt nicht hilfreich ist. Haben Sie das bedacht, als Sie sich der Demonstration für Tatjana Petrowna angeschlossen haben?«
    »Das war eine öffentliche Versammlung.«
    »Es war eine Demonstration, und für Sie hätte sie tödlich sein können. Wer weiß, in welche Richtung sich dieses Fragment bewegt. Im Moment zielen Teile auf das Stirnhirn. Das könnte zu Verwirrung, Übelkeit und Persönlichkeitsveränderung führen.«
    »Damit könnte ich leben. Vielleicht kommt sogar etwas Besseres dabei heraus.« Hektisch öffnete er Schubladen, bis er einen Aschenbecher und ein Päckchen Zigaretten fand.
    Sofort sprang Dr. Korsakowa auf. »Sie wollen auch noch rauchen?«
    »Wie ein Schlot, solange ich kann.«

6
    A ls Arkadi und Anja sich zum Frühstück setzten, war das Brot frisch, der Kaffee heiß, und sie wollte wissen, warum er einen durchaus angenehmen Vormittag damit vergeuden wolle, sich mit Maxim Dal zu treffen, und das ausgerechnet in einer Kirche.
    »Hoffst du auf ein Geständnis? Und danach setzt ihr euch mit einer Kanne Tee gemütlich aufs Sofa und ergeht euch in Erinnerungen daran, wie euch die Einsatzpolizei zusammengeknüppelt hat?«
    »Nein, dazu braucht man Wodka. Die Kirche war Maxims Idee. Außerdem könnte er etwas über Tatjanas Tod wissen, das uns weiterbringen würde.«
    »Worauf hast du es eigentlich abgesehen? Worum geht es?«
    »Tatjanas Leiche ist verschwunden. Ich suche nach ihr.«
    »Ein Leitender Ermittler, der die Schubladen im Leichenschauhaus durchwühlt? Weißt du, wie erbärmlich das klingt?«
    Arkadis Handy klingelte.
    »Wer ist dran?«
    »Schenja.« Arkadi schaute aufs Display und schaltete das Handy aus. Für Gespräche mit dem widerspenstigsten Jungen der Welt musste er sich stets wappnen, daher zögerte er es wie üblich hinaus. Mit Anja auf der einen Seite und Schenja auf der anderen sah er sich außerstande, an zwei Fronten gleichzeitig zu kämpfen.
    »Gibt es noch andere Zeugen außer dem Mädchen mit den Katzen?«, fragte Anja. »Soweit ich mich erinnere, standen die Gebäude rings um Tatjanas Wohnung leer.«
    »So gut wie. Man weiß nie, wann jemand auftaucht, aber dafür muss man an Türen klopfen. Ich habe nicht genug Männer dafür, und selbst wenn ich die hätte …«
    »… wird niemand mit der Polizei reden.«
    »Na ja, kann man ihnen das verübeln nach dem, was letzte Woche passiert ist?«
    »Und dieser Chefredakteur, Obolenski? Hast du ihn gesehen? Ich fand ihn sehr tapfer, als die Einsatzpolizei angegriffen hat. Findest du nicht, dass er tapfer war?«
    »Doch. Macht er mit der Zeitschrift weiter?«
    »Natürlich.«
    »Solange er Autoren hat.«
    »Ja. Wieso dieses plötzliche Interesse an Sergei Obolenski?«
    Arkadi sprach etwas hastig, wie ein Schlittschuhläufer, der sich auf dünnes Eis begibt. »Ich war bei ihm.«
    »In der Redaktion?«
    »Ich weiß, dass er dir Tatjanas letzte Notizen für einen grandiosen Artikel gegeben hat, mit dem sie in Glanz und Gloria untergehen wollte. Diese Notizen könnten auch der Grund dafür sein, dass sie umgebracht wurde.«
    »Wann hattest du vor, mir von dem Besuch zu erzählen?«
    »Wann hattest du vor, mir von dem Artikel zu erzählen?«
    Arkadi fand, dass beide Fragen dasselbe Gewicht hatten, doch mit Logik war ihr nicht beizukommen. Sofort schmeckte das Brot altbacken, und der Kaffee war kalt. Er war nie gut darin gewesen, mit Frauen zu streiten, sie griffen dabei auf Kränkungen zurück, die seit Jahren vor sich hin geschwelt hatten.
    »Hast du eine Ahnung, wie respektlos das ist?«, fragte sie. »Hast du eine Ahnung, wie lange ich gebraucht habe, um als Reporterin anerkannt zu werden? Oder wie demütigend es ist, von einem Helden aus dem Büro des Staatsanwalts ›gerettet‹ zu werden? Und jetzt willst du, dass ich den wichtigsten Artikel meines Lebens ablehne?«
    »Ich meine doch nur, Tatjanas Notizen könnten Informationen enthalten, die zu ihrer Ermordung geführt haben, und

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