Tatort Oktoberfest (German Edition)
Küsschen haucht. Dann werden die Kameras ausgeschaltet. Die Fernsehleute packen ihre Sachen zusammen. „Kinder, wir haben alles im Kasten, wir können. Uff, war das eine Anstrengung, jetzt brauche ich ein Bier und eine Ochsensemmel. In der Ochsenbraterei ist eine Box für uns reserviert.“
Kurze Zeit später gähnt der Zuschauerraum leer vor sich hin, weil alle rasch nach dem Ende hinausgewunken wurden. Claudia und er stehen wie zwei Regenschirme, die man nicht mehr braucht, vor dem Teufelsrad, das sich dreht und dreht, obwohl kein Mensch mehr vorhanden ist, um es zu beachten.
„Dann können wir wohl auch für heute gehen“, sagt Claudia zu ihm und lächelt, wie er findet jetzt ganz natürlich. Sie hakt sich bei ihm unter. „Ich brauche noch ein Glas Sekt zur Beruhigung. Kommen Sie mit?“ In dieser Minute läutet das Handy in der Tasche, die an ihrem Gürtel baumelt. „Entschuldigen Sie mich“, murmelt sie und geht ein Stück zur Seite. Er sieht, wie sie den Kopf schüttelt und gleich wieder auflegt. „Falsch verbunden. Eigenartig, meine Nummer ist nur sehr wenigen Leuten bekannt. Also …“ Als sie in einen Gang mit mehr Licht kommen, schaut sie nochmals auf das Display, und er sieht, dass ihr Gesicht trotz des sorgfältig aufgetragenen Make-ups fahl wird.
Menschentrauben stehen vor dem Eingang, und als die Sperrung des Fahrgeschäfts aufgehoben wird, strömen die Menschen geradezu hinein. Sie stehen im Weg, und Ochshammer wird in eine Richtung geschoben und Claudia in eine andere. Als er es schafft, sich endlich freizuschaufeln und ganz rauszukommen, steht er einen Moment hilflos im Getümmel. Blitzlichter tauchen plötzlich auf, und er wird von einer Meute Fotografen umringt. Ein Aufnahmegerät wird ihm vor das Gesicht gehalten: „Herr Ochshammer, sind Sie mit uns der Meinung, dass das Oktoberfest bei solchen Veranstaltungen wie heute zu panem et circences, zu Brot und Spielen in Reinkultur wie bei den alten Römern verkommt? In einem Interview haben Sie sich für die Erhaltung der Traditionen ausgesprochen, finden Sie, dass dieses Theater mit der Tradition vereinbar ist? Sie vertreten doch eher konservative Werte. Sind wir da richtig informiert?“
„Da sind Sie ganz richtig informiert. Aber bitte haben Sie Verständnis, dass wir jetzt keine Interviews geben können“, mischt sich Kopitzkis Stimme ein. „Bitte reichen Sie uns Ihre Fragen schriftlich oder per Mail ein, dann erhalten Sie eine Antwort. Herr Ochshammer hat gerade eine ziemlich anstrengende Aufgabe hinter sich.“
Ochshammer wundert sich, wo Kopitzki plötzlich herkommt. Aber immerhin zieht er ihn aus der Schusslinie. Eigentlich hätte er ganz gern geantwortet, aber Kopitzki hat recht, vermutlich ist es besser, wenn er nichts sagt. Die Presseheinis drehen einem oft das Wort im Mund herum. „Ich will nach Hause, Kopitzki, ich möchte nur noch ein Bier, ich bin todmüde“, behauptet er, und eigentlich stimmt es nicht so ganz. Er wäre gern mit Claudia zusammen gewesen, denn er fürchtet sich, in das große, leere Haus zu kommen. Aber so ist es nun einmal, und irgendwann wird er sich damit abfinden müssen. Mit gesenktem Kopf will er durch die Menge gehen. Als er ein Schnaufen hinter sich hört, reagiert er fast panisch und will losrennen. Dann hört er die Stimme des Reporters von vorhin und dreht sich um.
„Herr Ochshammer, wie stehen Sie zu der Tatsache, dass auf Ihrer Veranstaltung in der BMW-Welt ein Italiener umgebracht wurde? Offensichtlich möchte jemand verhindern, dass die Wiesn italienisch wird.“
Wieder folgt ein Blitzlichtgewitter und fängt seinen völlig verblüfften Gesichtsausdruck ein. Er wendet sich zu Kopitzki, bemerkt in dessen Augen ein seltsames Flackern. „Wissen Sie etwas davon, Kopitzki?“ fragt er.
„Nein, wir wissen davon gar nichts“, beteuert dieser mehr zu dem Reporter als zu ihm.
„Wer? Ich verstehe nicht ganz, und warum auf meiner Veranstaltung?“ fragt er den Reporter. Doch der zuckt nur die Schultern: „Entschuldigen Sie die Störung“ und verschwindet blitzschnell in der Menge.
Verstört bleibt Ochshammer zurück. „Hat es einen Vorfall gegeben? Warum wurde ich nicht unterrichtet? Was ist passiert?“
„Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon die Rede ist. Ich höre das erste Mal von einer solchen Sache. Soll ich die Polizei anrufen und nachfragen?“
„Nein“, sagt Ochshammer jetzt wirklich todmüde, „die Polizei wird sich schon melden, wenn daran etwas Wahres ist. Aber
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