Tatsache Evolution
Entwicklungstheorie) … ist heute als beendet anzusehen, … d. h. auf wissenschaftlichem Gebiet; die Deszendenzlehre hat gesiegt und wir dürfen getrost sagen: für immer … Sie bildet die Grundlage unserer Anschauungen von der organischen Welt und jeder weitere Fortschritt geht von diesem Boden aus. Sie werden im Laufe dieser Vorlesungen auf Schritt und Tritt Beweise für die Wahrheit dieses Satzes kennenlernen… Das
Wie
der Umwandlungen der Arten ist noch zweifelhaft, nicht aber das
Dass
, und dies ist der sichere Boden, auf dem wir heute stehen : Die Lebewelt von heute ist entwickelt, nicht aber auf einmal entstanden« (Weismann 1904). In einem kurz gefassten Lehrbuch kommt der Freiburger Evolutionsbiologe Günther Osche zu einer ähnlich lautenden Bewertung: »An der Tatsache, dass eine Evolution stattgefunden hat, bestehen daher im Kreise |292| der Biologen nicht mehr die geringsten Zweifel. Nicht die Frage, ob es Evolution gibt, sondern wie sie im Einzelnen verlief und welche Faktoren ihr zu Grunde lagen und liegen, ist daher Gegenstand der Evolutionsforschung« (Osche 1972). Es sei ergänzend auf die in den Kapiteln 5 und 7 zitierten Aussagen der Naturwissenschaftler R. Bommeli (1890) und L. Reinhardt (1925) verwiesen, die auf Grundlage geologisch-paläontologischer Befunde unabhängig voneinander dieselbe Schlussfolgerung gezogen haben.
Diesen Konsens unter den in Forschung und Lehre tätigen Biologen (Gregory 2008 a, b) kann man auch in Form eines
Gleichnisses
veranschaulichen. In der modernen Evolutionsbiologie werden seit etwa 1970 neue Forschungsergebnisse in referierten Fachjournalen publiziert, in denen über ein strenges Begutachtungsverfahren (
peer review
) die »Spreu vom Weizen« getrennt wird. Würde man z. B. ein ordentlich geschriebenes Manuskript mit dem Titel »New evidence for evolution« (»Ein neuer Beweis für die Evolution«) bei einer Fachzeitschrift, wie z. B.
Evolution
,
Journal of Evolutionary Biology
oder
Theory in
Biosciences
einreichen, so würden die Editoren nach kurzer Begutachtung dieses Manuskript ablehnen. Begründung: »Neue Beweise für die Tatsache der biologischen Evolution sind nach 150 Jahren Forschung nicht mehr von Interesse, da hier eine Selbstverständlichkeit zum x-ten Mal belegt wird. Wir publizieren nur Forschungsarbeiten, die neue Einblicke in den Verlauf und die Antriebskräfte der Evolution liefern.«
In analoger Weise würde z. B. auch keine im
Web of Science
gelistete geologische Fachzeitschrift, wie z. B.
Geology
,
Journal
of Geology
oder
Earth Planet Sci. Letters
ein Manuskript mit dem Titel »New evidence for the Dynamic Earth« (»Neue Beweise für die Erd-Dynamik«) veröffentlichen, da es eine belegte Tatsache ist, dass die Erde u. a. über die Kontinentaldrift stetig in Bewegung ist, obwohl die Mechanismen dieser geologischen Prozesse noch nicht im Detail entschlüsselt sind. Nicht nur die Organismen der Biosphäre, sondern auch der Planet, auf dem sie leben, hat sich im Verlauf der Jahrmillionen stetig verändert.
Abb. 10.2: Die Geschichte der Erde und der Lebewesen in einer Darstellung aus dem Jahr 1880. Die rechts abgebildeten, aufeinanderfolgenden Sedimentschichten sind mit versteinerten Resten ausgestorbener Organismen (Fossilien) durchsetzt, die auf der linken Seite in rekonstruierten Lebensbildern beigegeben sind (nach einer anonymen Graphik aus dem 19. Jahrhundert).
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|294| Drei Naturgesetze, eine Schlussfolgerung und die Makroevolution
Ein einfach nachvollziehbarer, logisch-rationaler
Beweis
, dass die Evolution im Mikro- und Makro-Maßstab ein Faktum ist, soll nachfolgend auf Grundlage von drei bekannten Naturgesetzen (Regeln) und einer logischen Schlussfolgerung vorgestellt werden (Abb. 10.2):
Zell-Generationengesetz
: Die Bausteine der Lebewesen (Zellen) entstehen immer aus einer Vorläufer- oder Mutterzelle (Regel:
omnis cellula e cellula
). Da sämtliche lebende und ausgestorbene (fossil erhaltene) Organismen der Biosphäre aus Zellen zusammengesetzt sind (bzw. waren), gilt diese Zell-Regel für alle Lebensformen, vom Bakterium bis zum Menschen. Die höher organisierten Lebewesen (Tiere, Pflanzen) entwickeln sich aus einer mit doppeltem Chromosomensatz versehenen (diploiden) Zelle, der Zygote; diese geht wiederum aus der Verschmelzung (Syngamie) haploider männlicher und weiblicher Gameten hervor (s. Abb. 10.4, S. 304). Daher gilt die Zell-Regel auch für die komplex gebauten
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