Tatsache Evolution
Makroorganismen.
Fossilreihen-Ablagerungsgesetz
: Die Geschichte der Lebewesen der Erde ist im Buch der Sedimentgesteine niedergeschrieben (Regel:
ex libro lapidum historica mundi
). In den älteren, weiter unten liegenden Sedimentformationen befinden sich die Urahnen der jüngeren, weiter oben eingebetteten versteinerten Lebewesen (d. h. Reste derselben). Derartige aufsteigende Fossilreihen lassen sich heute mit geochronologischen Verfahren präzise datieren (Alter in Millionen Jahren, Mio. J. vor heute; die Messfehler liegen in der Regel bei ± 1 %).
Generationen-Kontinuitätsgesetz
: Über Generationen-Abfolgen (Kinder-Eltern-Großeltern-Urgroßeltern usw.) sind die aus Zellen zusammengesetzten Organismen miteinander verbunden – das Erbgut (DNA) wird, wie z. B. auch die Mitochondrien , kontinuierlich weitergegeben. In der Biologie gibt es daher keine »Generationen-Sprünge« (Regel:
natura non
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facit saltum
). Nur Aussterbe-Ereignisse führen zum endgültigen Abbruch dieser sich über Millionen von Generationen erstreckenden Vorfahren-Nachkommen-Ketten.
Aus diesen drei Naturgesetzen folgt, dass das an Zellen gebundene Leben auf der Erde, vom Ursprung vor etwa 3500 Mio. J. bis heute, als unvorstellbar lange, verzweigte (Zell-)Generationen-Abfolgen zu interpretieren ist. Bei Tieren sprechen wir von einer potentiell unsterblichen Keimbahn (s. Kapitel 3), die auch im Pflanzenreich in analoger, jedoch nur indirekter Form nachweisbar ist. Bakterien und viele Einzeller (Protoctista) vermehren sich durch Zweiteilung. Da sich im Verlauf dieser seit Jahrmillionen andauernden Eltern-Nachkommen-Abfolgen die Lebensbedingungen der Organismen, meist sehr langsam in kleinen Schritten (graduell) geändert haben, konnten immer nur jene Individuen in ihren Abkömmlingen überleben, die über Variations- und Selektionsprozesse an die veränderte Umwelt angepasst waren. Dieser Arten- und Formenwandel im Verlauf Hunderttausender einander folgender Generationen wird als
Makroevolution
bezeichnet. Als Synonym wurde der Begriff
transspezifische Evolution
(Rensch 1947) eingeführt; er hat sich jedoch zumindest in der englischsprachigen Literatur nicht durchgesetzt.
Wir hatten in diesem Buch bereits zwei klassische, unabhängig voneinander entworfene Schemata zur Entwicklung der Organismen auf der Erde vorgestellt, die anschauliche Illustration des Schweizer Fachlehrers R. Bommeli (1890) (s. Abb. 5.4, S. 139) und eine nüchterne Graphik des britischen Paläontologen R. Owen aus dem Jahr 1861 (s. Abb. 7.3, S. 198). In Abb. 10.2 ist ein drittes, unabhängig von den Bommeli- und Owen-Graphiken erstelltes Bild vom Verlauf der Makroevolution wiedergegeben , das um 1880 in einem englischsprachigen Fachjournal publiziert wurde (Farbreproduktion, s. Umschlagabbildung ). Ausgehend von morphologisch relativ einfach gebauten Lebensformen (Ur-Fische, Algen) hat sich die (Wirbel-)Tier und (Land-)Pflanzenwelt über kontinuierliche Generationen-Abfolgen entwickelt. Wir können dieses anschauliche, auf Grundlage der damals bekannten Fossilreihen rekonstruierte Bild vom |296| Verlauf der Evolution der sichtbaren Makroorganismen unserer geologischen Zeitskala 2004/2008 gegenüber stellen (s. Abb. 6.8, S. 184) und finden hierbei Übereinstimmungen sowie auffällige Diskrepanzen. So haben sich z. B. die Begriffe Eozoikum (Archaikum) sowie Paläo-, Meso- und Känozoikum seit 1880 erhalten, während die unermesslich weite prä-kambrische Zeitspanne damals noch unbekannt war. In unserem Phylogenese-Schema (Abb. 10.2) sind darüber hinaus in den Sedimentabfolgen heiß-flüssige Gesteinsmassen aus dem Inneren der Erde (Magma) eingezeichnet, womit der Vulkanismus angedeutet werden sollte. Eine absolute Datierung der Sedimentformationen gab es um 1880 noch nicht, so dass nur relative Abfolgen aufgelistet werden konnten (s. Kapitel 6).
Unser Bild von der Makroevolution aus dem Jahr 1880 veranschaulicht aber auch, welch enorme Fortschritte die Paläobiologie seit dieser Zeit gemacht hat. So wurden z. B. die Dinosaurier noch als gigantische Wasserbewohner interpretiert (Abb. 10.2). Heute wissen wir, dass die Dinos des Erdmittelalters Land-Reptilien waren und dass die in Abb. 10.2 fehlenden Vögel (Aves) aus kleinen Raub-Theropoden hervorgegangen sind (s. Abb. 7.9, S. 211). Die im Laufe vieler Jahrmillionen in kleinen Stufen erfolgte Avinisation (Vogel-Werdung) (Weishampel et al. 2004) ist in einem Bild, in welchem das Dino-Vogel-Kontinuum rekonstruiert
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