Tatsache Evolution
epiphytischen Mikroben der Gattung
Methylobacterium
ernähren sich von gasförmigen Stoffwechsel-Abfallprodukten der Blattzellen und sondern Wuchsstoffe (Phytohormone) ab, die von den Pflanzenzellen absorbiert werden . Umfassende Studien haben ergeben, dass z. B. bei den urtümlichen Moosen eine Symbiose der Partner »Methylobakterien und Landpflanze« etabliert ist (Kutschera 2007 d). Nach der Zufalls-Entdeckung dieser epiphytischen, mit den Mitochondrien der Eucyte verwandten Bakterien wollten wir diesen Befund erst nicht »glauben«. Umfassende Studien belegten dann jedoch jenseits aller Zweifel, dass diese Bakterien
tatsächlich
in großer Zahl vorhanden sind, obwohl gesunde, frische Blätter umgangssprachlich »theoretisch betrachtet« frei von Mikroben und somit
un-
kontaminiert sein sollten. Auf Grundlage solcher und analoger Untersuchungen wissen wir, dass Bakterien, die überall dort leben, wo es organische Substanzen als Nahrungsquelle gibt, über 50 % der Biomasse ausmachen: Sie repräsentieren die unsichtbare Mehrheit der |290| Organismen auf der Erde (Whitman et. al. 1998, Kutschera und Niklas 2004, Mardigan und Martinko 2006, Pearson 2008). Wie wir weiter unten sehen werden, hat sich unser Bild von »den Lebewesen und deren Evolution« mit diesen Entdeckungen grundlegend gewandelt. Die Dominanz der verborgenen Mikroben und deren Rolle als Endosymbionten (bzw. Symbiosepartner oder Krankheitserreger) hat zur Formulierung eines neuen Konzepts von den Antriebkräften der Makroevolution geführt.
In den folgenden Abschnitten soll zunächst ein zusammenfassender »Evolutions-Beleg« vorgestellt werden, der als Synthese zahlreicher in diesem Buch zusammengetragener Fakten zu sehen ist. Darauf aufbauend wird ein neues Modell zum Verlauf und den Antriebskräften der Evolution in allen fünf Organismen-Reichen der Erde dargelegt, das weit über Darwins klassische Theorien hinausgeht, ohne jedoch den Grundprinzipien des Begründers der Evolutionsforschung zu widersprechen . Am Ende des Kapitels soll im Detail begründet werden, warum wir Charles Darwin als den »Mozart der Biologie« würdigen sollten.
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Evolution der Organismen als dokumentierte Tatsache
Eine Grundaussage dieses Buchs, dass die Evolution der Organismen ein realhistorischer Prozess ist, der stattgefunden hat, noch heute andauert und daher erforscht werden kann, geht auf Darwin (1859/1872) zurück. Allerdings hat der Urvater der klassischen Abstammungslehre diese Schlussfolgerung meist recht vorsichtig »nur als vage Theorie« formuliert, da er einem direkten Konflikt mit den Kreationisten seiner Zeit ausweichen wollte. In nur einem Satz, der in der letzten, 1872 erschienenen Auflage des Artenbuchs niedergeschrieben ist, wird Darwin etwas deutlicher: »Naturalists believe in the separate creation of each species … this was the general belief when the first edition of the present work appeared … Now, things are wholly changed, and almost every naturalist admits the great principle of evolution.« (»Die Naturforscher glauben an getrennte |291| Schöpfungen jeder Art … Das war die allgemeine Annahme als die erste Auflage des vorliegenden Buchs erschienen ist … Inzwischen haben sich die Dinge vollständig geändert, und fast alle Naturforscher bekennen sich zum großen Prinzip der Evolution.«) Der menschenscheue Darwin hatte einen Kreis treuer Freunde (Seward 1909, Schneider 1911). Einer dieser Darwin-Anhänger, der Biologe und Paläontologe Thomas H. Huxley (1825 – 1895), dessen Enkel Aldous (1894 – 1963) und Julian (1887 – 1975) als Schriftsteller bzw. Evolutionsbiologe Weltruhm erlangten, formulierte in einem 1893 publizierten Essay den folgenden Satz: »Evolution is not a speculation, but a fact« (»Evolution ist keine Spekulation, sondern eine Tatsache «). Mit dieser Bemerkung brachte er das zum Ausdruck, was sein schüchterner Freund Darwin immer einmal sagen wollte. T. H. Huxley hat Darwins Theorien-System von Beginn an gegen die Angriffe der Kreationisten verteidigt und wurde daher als »Darwins Bulldogge« bezeichnet. Der Essay, aus dem dieses Zitat stammt, wurde unter dem Titel
Darwiniana
publiziert . Wir werden am Ende dieses Kapitels auf diesen Begriff zurückkommen.
Im Jahr 1904 veröffentlichte August Weismann (1834 bis 1914), der Begründer des Neo-Darwinismus, seine berühmten Vorträge zur Deszendenztheorie. In der Einleitung argumentierte der Zoologe wie folgt: »Der Kampf (um die Darwinsche
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