Tatsache Evolution
die noch nicht entdeckt bzw. isoliert werden konnten. Obwohl sich die kugel-, stäbchen- und schraubenförmigen Bakterien im Verlauf der letzten 3500 Mio. J. morphologisch nur wenig verändert haben (Schopf 2006), ist dennoch eine enorme Diversifikation eingetreten: Die äußerlich einfach organisierten Bakterien sind die »Weltmeister« in der Fähigkeit zur physiologischen Anpassung. Die enorme, jedoch unsichtbare Diversität der Mikroben spielt sich auf dem Niveau ökologischer Ein-Nischungen und Besiedelungen aller nur denkbaren Mikro-Lebensräume ab – angefangen vom Erdreich bis zum Körper der Tiere und Pflanzen. Ohne gutartige Mikroben (Symbionten) wären Wirbeltiere, wie z. B. auch der Mensch, nicht lebensfähig (Kutschera 2007 d). Die in der Regel nur wenige Mikrometer großen Bakterien sind nicht durch Symbiogenese-Prozesse entstanden und daher über die Jahrmillionen hinweg auf einer urtümlichen, morphologisch einförmigen Organisationsstufe stehen geblieben (es gibt in diesem ersten Organismenreich |302| Einzel-Zellen und Zell-Reihen bzw. -Aggregate, aber keine echten Mehrzeller).
Die Protoctista (Protisten) sind eine negativ definierte Sammelgruppe all jener eukaryotischer Mikro- und Makroorganismen , die nicht als Fungi, Plantae oder Animalia (Gewebetiere ) zu klassifizieren sind. Zu dieser Gruppe zählen neben den Grün- und Braunalgen (Tange) u. a. die in Kapitel 8 besprochenen Süßwasser- und Meeres-Planktonorganismen (z. B. Eugleniden , Dinoflagellaten).
Pilze (Fungi), Tiere (Animalia) und Pflanzen (Plantae) sind mehrzellige, eukaryotische Makroorganismen, die, wie auch alle Vertreter der Protoctista, über eine primäre bzw. sekundäre Endosymbiose (Symbiogenese) entstanden sind. Ihre kernhaltigen Zellen (Eucyten) wurden in Kapitel 8 vorgestellt (zum Größenvergleich typischer Proto- und Eucyten, s. Abb. 10.1).
Auf Grundlage der Zell-Physiologie und -Anatomie bzw. der DNA-Systematik können wir die fünf Reiche auch in drei Domänen einteilen (Bacteria, Archaea und Eukarya) (Margulis und Schwartz 1998, Barnes 1998, Kutschera 2008 a). Wir wollen hier diese Drei-Domänen-Taxonomie nicht näher diskutieren , da sie für unsere nachfolgende Argumentation gegenstandslos ist.
Wie die Fortpflanzungszyklen (Abb. 10.4) zeigen, vermehren sich nicht nur die Monera, sondern auch zahlreiche Protoctista (z. B. Eugleniden) meist vegetativ durch Zweiteilung. Unter den eukaryotischen Einzellern sind dennoch viele Spezies beschrieben worden, die über eine urtümliche Form sexueller Fortpflanzung verfügen (z. B. Grünalgen). Es ist aber auch im Reich der Protoctista fragwürdig, ob man biologische Arten (d. h. reproduktiv isolierte Fortpflanzungsgemeinschaften) unterscheiden kann. Die Mikrobenforscher klassifizieren diese Organismen daher in aller Regel, ähnlich wie die Paläobiologen ihre rekonstruierten Fossilien (Abb. 10.2, 10.3), nach morphologischen Kriterien (äußere Erscheinungsform). Nur bei den Gewebetieren (Animalia), den Pilzen (Fungi) und Pflanzen (Plantae) kann man auf Grundlage der sexuellen Fortpflanzung, die als Ursache der Reproduktions-Barrieren erkannt wurde, von »echten Arten« oder Biospezies sprechen (s. Kapitel 3). Dies |303| ist möglicherweise auch einer der Gründe dafür, dass diese Organismen seit Darwins Zeiten im Mittelpunkt des Interesses der Naturliebhaber und Forscher stehen.
Bezüglich ihrer Gesamt-Biomassen bezogen auf das Protoplasma können wir die fünf Reiche wie folgt klassifizieren (die Summe ergibt 100 %, d. h. die Biosphären-Masse abzüglich dem Holz der Bäume):
Monera (Bakterien): über 50 %;
Protoctista (Protisten): ca. 30 %;
Animalia (Tiere) und Fungi (Pilze): unter 10 %
Plantae (Pflanzen, ohne dem leblosen Holz): über 10 %
Diese Abschätzung, bei der den Protoctista rund 30 % der protoplasmatischen Biomasse zugeteilt wurde, basiert u. a. auf dem Befund, dass in den Weltmeeren die Plankton-Lebewesen (photosynthetisch aktive »Schwebe-Organismen«, wie einzellige Algen, Cyanobakterien usw.) bezüglich ihrer aufaddierten Anzahl und Masse allen anderen marinen Lebewesen bei Weitem überlegen sind (Abb. 10.5). Die hier angegebenen Zahlen sind als Näherungswerte zu betrachten, wobei die im bzw. am Körper der Tiere und Pflanzen lebenden Bakterien in die Gruppe 1 (Monera) eingerechnet wurden.
Aus dieser groben Abschätzung folgt, dass Tiere und Pflanzen, die bei Darwin (1859/1872), wie noch heute in den meisten populären Biologiebüchern, im
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