Tatsache Evolution
überschaubar (exponentieller Wissenszuwachs).
Die »Erweiterte Synthetische Theorie« beinhaltet z. B. die Unter-Theorien der Verwandtenselektion (Begründer: W. D. Hamilton, 1972), die von C. S. Merezhkowsky (1905, 1910, 1920) eingeführte Symbiogenese (primäre Endosymbiose) und das von A. Wegener (1929) etablierte Konzept der Kontinentalverschiebungen . Die Theorie von W. D. Hamilton erklärt den biologischen Altruismus im Insektenstaat (s. Kapitel 3), Merezhkowskys Symbiogenese-Konzept hat zur Aufklärung des Ursprungs der Chloroplasten (und somit der Pflanzen) geführt, während Wegeners Thesen u. a. die Verbreitung der Organismen auf der heutigen Erde und den für die Evolution wichtigen Vulkanismus erhellt haben. Alle drei Unter-Theorien der
Expanded
Synthesis
beziehen sich auf verschiedene Organisationsebenen der belebten Natur: die Verwandtenselektion, als Erweiterung des Darwin-Wallace-Prinzips, auf natürliche Ausleseprozesse in lebenden Tier-Populationen, die Symbiogenese auf die Entstehung von Zell-Organellen und die Verschiebungstheorie auf die Schaffung bzw. Zerstörung der großen Lebensräume der Erde. Wie bereits oben erwähnt, sprechen die Biologen heute daher nicht mehr von »
der
Evolutionstheorie«, sondern beziehen sich auf verschiedene Unter-Theorien der
Expanded Synthesis
(d. h. die Wissenschaftsdisziplin
Evolutionsbiologie
). So ist z. B. die Endosymbionten-Theorie für die Erklärung des selbstlosen Verhaltens im Termiten-Staat irrelevant , während umgekehrt die Theorie der Verwandtenselektion weder den Ursprung der Chloroplasten noch den der Mitochondrien in irgendeiner Weise erklären könnte.
Als Schlussfolgerung dieses Abschnittes wollen wir festhalten , dass populäre Begriffe wie z. B. »Lamarck-, Darwin-, Weismann-Ismus « und andere »Ismen« in der Fachdisziplin Evolutionsbiologie seit Jahren nicht mehr in Gebrauch sind, da diese Termini u. a. an politisch-religiöse Ideologien erinnern |307| (z. B. Sozialismus, Marxismus, Katholizismus usw.). Diese nicht naturwissenschaftlich begründeten Weltanschauungen, die in aller Regel einen dogmatischen Charakter annehmen, widersprechen den offenen Grundsätzen und Prinzipien der auf objektiven Fakten basierenden
Natural Sciences
(Physik, Chemie, Biologie, Geologie).
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Das Synade-Modell der Makroevolution
Welche großen, übergeordneten Prozesse (Evolutions-Faktoren bzw. -Triebkräfte) erklären in groben Zügen den Artenwandel sowie die Diversifizierungen in allen fünf Organismen-Reichen der Erde? Aus den in diesem Buch zusammengetragenen Fakten folgt, dass die
Symbiogenese
(primäre und sekundäre Endosymbiose , s. Kapitel 8), die
natürliche Selektion
(Ausleseprozesse in expandierenden Populationen, s. Kapitel 1, 2, 3, 5 und 9) und die jahrmillionenalte
dynamische Erde
(Plattentektonik , Vulkanismus, s. Kapitel 6 und 7) die drei entscheidenden Faktoren sind, die für die Arten-Transformation und die Vervielfachung der Lebensformen (Biodiversitätszunahme) verantwortlich waren (Abb. 10.5). Unter Berücksichtigung der Namen der Erst-Begründer dieser von zahlreichen Forschern später enorm verbessert und erweiterten Konzepte können wir vom Merezhkowsky-Wallin (Symbiogenese)-, Darwin-Wallace (natürlichen Selektions)- und Snider-Wegener (dynamische Erde)-Prinzip sprechen, woraus der Name
Synade-Modell
abgeleitet ist (Kutschera 2009).
Aus dieser neuen Sicht der phylogenetischen »Fünf-Reiche-Entwicklung « ergibt sich auch ein reformiertes Bild vom zeitlichen Verlauf der Makroevolution (Abb. 10.6). Nach dem bis heute noch nicht im Detail aufgeklärten Ursprung der ersten Vorläufer(Proto-)Zellen vor etwa 3800 Mio. J. (chemische Evolution ; Modellvorstellungen s. Griffiths 2007, Kutschera 2008 a) sind vor etwa 3500 Mio. J. die ersten Ur-Bakterien entstanden (Schopf 2006). Aus diesen u. a. in versteinerten Mikrobenmatten (Stromatolithen) erhaltenen archaischen Protocyten haben sich alle heute existierenden Mikroorganismen (Archae-, |308| Eu- und Cyanobakterien) entwickelt, die gemäß dem um molekularbiologische Befunde erweiterten Darwin-Wallace-Prinzip der natürlichen Selektion evolvierten. Durch Mutationen und horizontalen Gen-Transfer entstanden (bzw. entstehen) stetig variable Populationen von Mikroben; es erfolgt im zweiten Schritt eine natürliche Auslese und Adaption an die jeweiligen Umweltverhältnisse, in der Regel verbunden mit der Besiedelung unbesetzter Lebensräume (Zunahme der mikrobiellen
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