Tatsache Evolution
Folgenden drei auf Dokumenten basierende Theorien (d. h. Erklärungen der Todesursache) beschreiben und bewerten.
Gemäß der
Giftmord-Theorie
(1.), die erstmals am 12. Dezember 1791 im Berliner
Musikalischen Wochenblatt
formuliert wurde, soll Mozart von einem Neider mit quecksilber- oder arsenhaltigen Substanzen getötet worden sein. Als Giftmörder wurden u. a. der Komponist Antonio Salieri (1750 bis 1825) und der Hofkanzlist Franz Hofdemel verdächtigt (Landon 1992). Die
Selbstvergiftungs-Theorie
(2.) wurde in den 1960er-Jahren in die Diskussion gebracht und dann von L. Köppen |53| (2004) umfassend begründet. Mozart soll sich im Sommer 1791 mit einer damals grassierenden Geschlechtskrankheit (Syphilis) angesteckt und diese durch Selbst-Medikation behandelt haben. Durch Überdosierung mit Quecksilber-Sublimat soll Mozart seine Nieren derart geschädigt haben, dass er kurz darauf an Organversagen gestorben ist. Die wenig spektakuläre
Infektions-Theorie
(3.) wurde von H. Landon (1992) zusammenfassend dargestellt und basiert auf zahlreichen Dokumenten. Bei einem Besuch in der Wiener Freimaurer-Loge am 18. November 1791 habe sich der bereits geschwächte Mozart mit einer durch Streptokokken (rundliche Bakterien) ausgelösten Infektionskrankheit angesteckt, an der zu dieser Zeit viele Bürger der Stadt gestorben sind. Diese epidemieartige Krankheit löste letztendlich das gut belegte Nierenversagen aus. In Kombination mit den damals noch üblichen mystisch-magischen Glaubenssätzen basierenden Aderlässen (Venensektionen, verbunden mit kalten Umschlägen) starb der an hohem Fieber leidende Mozart innerhalb weniger Stunden.
Welche der drei Theorien (bzw. Hypothesen) erklärt den Tod des Komponisten in bester Näherung? Die Hypothese (1.) gilt heute als widerlegt (Landon 1992); für Theorie (2.) sprechen einige Befunde, aber diese Belege (Evidenzen) sind nur indirekter Natur. Die Streptokokken-Infektions-Theorie (3.), kombiniert mit der damals nur pseudowissenschaftlichen Aderlass-Therapie , steht im Einklang mit vielen Dokumenten und erklärt die Todesursache des Komponisten meiner Ansicht nach am überzeugendsten.
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Eine kleine Mozart-Phylogenie
Welchen Bezug haben die hier referierten Befunde aus der Mozart-Forschung zum Thema »Evolution der Organismen«? Diese Frage soll in Form von sechs Schlussfolgerungen beantwortet werden.
Wie Gerber (1898) ausführt, waren die Gesichtszüge und Ohren der drei Komponisten Leopold, Wolfgang Amadeus und |54| Franz Xaver Mozart einander sehr ähnlich. Dies zeigt, dass außergewöhnliche anatomische Merkmale, wie z. B. eine untypische Ohrenform (Abb. 2.1), auf die Nachkommen vererbt werden können. Die musikalische Begabung (bzw. Genialität) wurde ebenfalls vom Vater auf den Sohn übertragen , allerdings mit unterschiedlicher »Effizienz«: Leopold war ein alltäglicher, Wolfgang Amadeus ein herausragender und Franz Xaver ein knapp über dem Durchschnitt angesiedelter Komponist. Die beiden Merkmale wurden über die männliche Keimbahn vererbt (s. Abb. 3.7, S. 86).
Wie die hier wiedergegebene Mozart-Generationenabfolge (Abb. 2.2) dokumentiert, überlebten in der vorwissenschaftlichen Zeit Europas von sechs bis sieben geborenen Kindern |55| pro Ehepaar nur wenige – die Mehrzahl starb in früher Kindheit an verschiedenen, meist bakteriellen
Infektionskrankheiten
(s. auch den Stammbaum von Charles Darwin, Abb. 1.4, S. 26). Biologisch formuliert: Die natürliche Selektion eliminierte die immunschwachen Menschen aus der betreffenden
Homo-sapiens-
Population (Prinzip der Überproduktion an Nachkommen, gefolgt vom Überleben der an die jeweilige, u. a. mit pathogenen Mikroben kontaminierten Umwelt angepassten Individuen).
Die Eltern waren bei der Geburt ihres ersten Kindes etwa 25 und bei der des letzten Nachkommen 30 bis 36 Jahre alt (Daten zur Erstgeburt sind in Abb. 2.2 nicht aufgenommen). Die
Generationszeit
beim Menschen betrug somit bereits im 18. Jahrhundert etwa 30 Jahre: Durchschnittlich alle drei Jahrzehnte wird eine neue Kinder- bzw. Enkel-Generation geboren, die nach Ableben ihrer Vorfahren diese ersetzt.
Abstammungsreihen (
Generationen-Abfolgen
) können versiegen und dann ganz abbrechen, sobald die Kinderzahl einen minimalen Schwellenwert unterschritten hat (graduelles
Aussterbe-Ereignis
). Da in der dritten Generation keine Kinder mehr geboren wurden, ist die »Mozart-Linie« mit dem Ableben der beiden Söhne ausgestorben (kein Weiterleben der
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