Tatsache Evolution
noch das
Selektionsprinzip
von ihm als Erstem entdeckt wurden. Zu Beginn dieses Supplements betonte Darwin sinngemäß, dass bis 1858 |69| viele Naturforscher der Ansicht waren, die Arten seien konstante »Schöpfungseinheiten«, die unabhängig voneinander auf übernatürliche Art und Weise »in die Welt gesetzt« worden wären. Dieses Konzept wurde von Darwin als »theory of creation « (Schöpfungstheorie) bezeichnet. Der Autor weist aber darauf hin, dass einige wenige Naturforscher bereits vor ihm der Ansicht waren, die Arten hätten Abänderungen (Modifikationen ) durchlaufen – die heute existierenden (rezenten) Lebensformen seien die Nachkommen von Vorläufervarietäten.
Abb. 3.1: Reproduktion des Originaltitels von Darwins Artenbuch (1. Auflage 1859) und eine aktuelle diesbezügliche Karikatur, einen Affen beim Studium dieses Werkes darstellend. Obwohl die Abstammung des Menschen in diesem Jahrhundert-Opus nur beiläufig in einem Satz erwähnt ist, wird die »Affe-Mensch-Problematik « oft mit dem Titel
On the Origin of Species
in Verbindung gebracht (Links: Faksimile der Erstauflage, 1859. Rechts: nach einer Zeichnung aus der Zeitschrift
Laborjournal
, 2006).
Im Folgenden wollen wir uns auf die 6. und letzte (definitive) Auflage von Darwins Artenbuch beziehen, die unter dem Titel
The Origin of Species by Means of Natural Selection, or the
Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life
im Januar 1872 erschienen ist (die Präposition
On
wurde weggelassen). In späteren Nachdrucken der 6. Auflage wurden nur die ersten vier Worte als Kurztitel abgedruckt (
The Origin of Species,
1872).
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|70| Evolutionskonzepte vor Charles Darwin
Wie bereits dargelegt, hatte der 28-jährige Darwin nur wenige Monate nach seiner Rückkehr von der fünfjährigen Weltreise auf dem Vermessungs-Schiff
H.M.S. Beagle
(1837) mit den Aufzeichnungen zum »Artenproblem« begonnen. Aus diesen uns heute zugänglichen »Transmutation of Species-Notebooks« und weiteren Dokumenten geht hervor, dass der Naturforscher bereits 1838, d. h. 20 Jahre vor der ersten Veröffentlichung seiner Thesen, das Selektionsprinzip klar erkannt und ausformuliert hatte. Im Jahr 1844 war dann ein 230 Seiten umfassendes Manuskript fertiggestellt, das den Titel »Natural Selection« trug. Im Falle eines vorzeitigen Todes des Autors sollte dieses Manuskript veröffentlicht werden; für diese »Opus posthum-Aktion « stellte Darwin damals eine beachtliche Geldsumme bereit. Nachdem der Biologe dann 1858 genötigt worden war, gemeinsam mit A. R. Wallace in einer Doppel-Publikation das Prinzip der natürlichen Selektion im Schnellverfahren als Zeitschriftenaufsatz zu publizieren, stellte er aus seinem umfassenden Manuskript-Archiv (Titel: »The Unfinished Book«, Überschrift : »Natural Selection«) einen Auszug (
Abstract
) her, der dann im November 1859 als Buch erschienen ist (Originaltitel, s. Abb. 1.11, S. 41).
Die Bedeutung von A. R. Wallace als Mit-Entdecker der natürlichen Selektion wurde bereits in Kapitel 1 hervorgehoben. In diesem Abschnitt wollen wir darüber hinaus auf drei bedeutende Darwin-Vorgänger eingehen und deren noch heute relevante Thesen kurz rekapitulieren.
Im bereits eingangs angesprochenen »Historical Sketch« listete Darwin nach der Erwähnung von Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) und Georges Buffon (1707 – 1788), die sich nicht konkret zur »Transformation of Species« (Arten-Transformation) geäußert hatten, neben A. R. Wallace insgesamt 29 Autoren auf. Diese Naturforscher hatten unabhängig voneinander bereits
vor
Darwin den Artenwandel (Evolution an sich) und/oder das Prinzip der natürlichen Selektion postuliert, jedoch ihre Thesen oft nur vage formuliert. Nach einer ausführlichen Würdigung des französischen Biologen Jean-Baptiste de Lamarck (1744 bis |71| 1829) als Urvater des Abstammungsprinzips erwähnt Darwin seinen Großvater Erasmus, der bereits 1794 in seinem Werk
Zoonomia
die Grundgedanken von Lamarck diskutiert haben soll. Vermutlich war Charles Darwin von den »evolutionistischen Ansichten« seines Großvaters mehr beeinflusst, als er zeitlebens zugegeben hatte. Die Tatsache, dass sich der bereits etablierte Begriff »Darwinismus« als Synonym für den Inhalt seines Buches
On the Origin of Species
(Abb. 3.1) nach 1859 sofort durchsetzte, ist vermutlich in erster Linie den »darwinistischen Publikationen« seines schriftstellerisch tätigen Vorfahren zu verdanken.
Charles Darwin führt
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