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Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
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|144| Die Ur-Käfer-Kopfgeldprämie und eine neue Zwischenform
    Bei der nachfolgenden Besprechung der Evolution der Käfer soll auf die im nächsten Abschnitt im Detail dargelegte geologische Zeitskala verwiesen werden (Einheiten: Millionen Jahre, Mio. J.; zur Veranschaulichung der dargelegten Fakten s. Abb. 5.4).
    Fossile Käfer sind in Gesteinsformationen des Perm (Alter ca. 300 bis 250 Mio. J.) selten: Weniger als 1 % der bekannten Fossilien aus jener Zeit gegen Ende des Erdaltertums stammen von Coleopteren. Mit Einsetzen der Jura-Periode (vor ca. 200 Mio. J.) nimmt allerdings die Zahl und Vielfalt der Käfer drastisch zu. Auch die Vertreter der Ur-Käfer (Archostemata) waren in dieser Periode des Erdmittelalters in großer Individuen- und Artenzahl weltweit auf allen Kontinenten verbreitet. Heute sind sie nur noch eine kleine, nahezu vollständig von besser adaptierten Arten verdrängte Reliktgruppe.
    In einem Interview mit der Zeitschrift
Laborjournal
(10/1. Okt. 2007) äußerte sich der Urkäfer-Spezialist Prof. R. Beutel (Universität Jena) zu dieser Frage wie folgt: »Die Archostemata sind eine obskure Käfergruppe … Sie sind eindeutig die ursprünglichsten Coleopteren und weisen eine Reihe von Merkmalen auf, die man auch an den ältesten bekannten fossilen (Proto-)Käfern nachvollziehen kann. Diese haben im unteren Perm, d. h. vor etwa 280 Mio. J., gelebt (Abb. 5.7 A). Die Archostemata-Arten sind äußerst selten, und es ist sehr schwer, an irgendwelche Exemplare heranzukommen. So gibt es z. B. von einer Art nur ein einziges totes Exemplar, das an einem Fluss im fernen Osten Russlands gefunden wurde. Weil diese Art so extrem selten ist, haben wir im Rahmen des
Beetle-Treeof-Life-
Projekts sogar ein Kopfgeld von 1000 Dollar ausgesetzt. Auch die einzige europäische Art der Archostemata,
Crowsoniella
relicta,
ist so selten, dass man sie als Normalsterblicher nicht zu Gesicht bekommt. Nur einmal, 1974, hat man in Italien ein Exemplar gefunden. Viele Spezialisten sind seither dorthin gefahren und haben weitere Käfer gesucht. Sie haben keinen einzigen entdeckt. Sie sind quasi Phantome der Evolution . Ich glaube allerdings nicht, dass sie ausgestorben sind. |145| Käfer gelten so lange als extrem selten, bis man weiß, wo und wie sie leben. Sobald man ihren Lebensraum (Habitat) exakt kennt, findet man auch größere Zahlen. Wir haben vermutlich die Habitate der europäischen Archostemata noch nicht entdeckt .«
    Abb. 5.7: Rekonstruktion der ältesten Käfer-Fossilien aus dem Perm (A). Diese Insekten werden als Vorläufer (Proto)-Käfer bezeichnet, da sie noch keine voll sklerotisierten, aderlosen Vorderflügel (Elytren) hatten u. a. primitive morphologische Merkmale zeigen. Ein lebender Vertreter der im Erdmittelalter weltweit verbreiteten, heute jedoch sehr selten vorkommenden Ur-Käfer (Archostemata) ist in der rechten Bildhälfte dargestellt (B). Die Ähnlichkeit zwischen dem Fossil und dem urtümlichen Käfer wird deutlich (nach Grimaldi, D.& Engel, M. S.:
Evolution of the Insects
. New York, 2005).
    Ein lebendes Exemplar aus der Gruppe dieser »Phantom-Käfer « zeigt Abb. 5.7 B. Die Ähnlichkeit im Vergleich zu den versteinerten Vorläufer(Proto-)Coleopteren (Abb. 5.7 A) wird deutlich.
    Fossile Zwischenformen, die größere Käfer-Gruppen verbinden (
Connecting Links
), waren bis vor einigen Jahren noch relativ selten belegt (Grimaldi und Engel 2005). Im Jahr 2006 berichteten zwei chinesische Coleopterologen, die sich auf fossile Käfer des Erdmittelalters spezialisiert haben, vom Fund mehrerer sensationeller Versteinerungen; eine davon soll hier beschrieben werden. Wie Abb. 5.8 A zeigt, ist der etwa 125 Mio. J. alte Ur-Käfer
Furcicupes raucus
so gut erhalten, dass die beigefügte Schemazeichnung (Abb. 5.8 B) kaum über das Original |146| hinaus Detailinformationen liefert. Nach Analyse dieser und anderer fossiler Archostemata kommen die Autoren Tan und Ren (2006) zur Schlussfolgerung, dass
Furcicupes
als fossile Zwischenform in der Reihe »urtümlicher Tribus Priacmini/ komplexer gebaute Vertreter des Tribus Cupedini« eingereiht werden kann. Von diesem
Connecting Link
der Käferevolution konnte der Coleopterologe Charles Darwin nichts wissen: Der Urvater der Deszendentheorie hätte den Autoren dieser Entdeckung mit Sicherheit ein Glückwunschschreiben übersandt!
    Abb. 5.8: Originalfossil (A) und Rekonstruktion (B) des etwa 125 Mio. J. alten Ur-Käfers
Furcicupes

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