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Tatsache Evolution

Titel: Tatsache Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U. Kutschera
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unterliegen die gepanzerten Sechsfüßer nur in geringem Maße dem Selektionsdruck »Krankheitsbefall« – sie sind robuste, zur Außenwelt hin »versiegelte « Kerbtiere. Die zarten Hinterflügel werden im eingefalteten Zustand unter den robusten Elytren verpackt getragen und beim Flug ausgebreitet. Der flache, wie ein modernes Auto |149| (z. B. VW-Käfer) gebaute, stromlinienförmige, gegen Wasserverlust und Pathogene resistente Körper der Coleoptera erlaubt es diesen »Krabbeltieren«, in verborgenen Nischen zu leben. Diese nach dem Darwin-Wallace’schen Variations/Selektions-Prinzip im Laufe der Evolution optimierten Anpassungen (Adaptionen) an ein verstecktes Dasein in für andere Organismen weniger gut geeigneten Habitaten ist das entscheidende »Erfolgsgeheimnis « dieser wirbellosen Kleintiere.
    Die Käfer haben im Verlauf ihrer etwa 280 Mio. J. andauernden Evolution eine Fülle freier Lebensräume (ökologische Nischen) besetzt, wo sie sich nahezu konkurrenzlos vermehren konnten – und das vom tropischen Regenwald über die gemäßigten Breiten (Europa) bis in die trockensten Wüstengebiete unseres Planeten.
    Welche fossilen Dokumente belegen nun die Stammesentwicklung (Phylogenese) der Käfer? Grimaldi und Engel (2005) haben die wichtigsten versteinerten (bzw. in Bernstein eingeschlossenen) Insekten zusammenfassend dargestellt. Die ältesten, an heutige Springschwänze erinnernden flügellosen Kerbtiere (z. B.
Rhyniella
) sind etwa 420 Mio. J. alt (Silur, s. Abb. 5.4). Erst viele Jahrmillionen später (Perm, vor ca. 280 Mio. J.; das Zeitalter ist nach der in Abb. 5.4 dargestellten Karbon-Zeit einzureihen) sind die ersten Proto- oder Ur-Käfer nachgewiesen. Diese noch nicht voll entwickelten Coleopteren repräsentieren evolutionäre
Zwischenformen
auf dem Weg zum typischen »Käfer-Grundbauplan«. Die Stammesentwicklung des charakteristischen »Coleopteren-Urtypus«, die noch nicht im Detail durch Dokumente rekonstruiert werden konnte, vollzog sich somit im Zeitraum vor ca. 420 bis vor 280 Mio. J.
    Die Käfer sind bei einem Alter von etwa 280 Mio. J. mit eine der urtümlichsten Insektengruppen (Abb. 5.7 A). Sie hatten somit eine enorme Zeitspanne vor sich, um gemäß dem Darwinschen Prinzip der Vervielfachung der Arten (Diversifikation) unzählige Spezies hervorbringen zu können. Wegen ihrer Robustheit und versteckten Lebensweise waren die Coleopteren im Verlauf der Erdgeschichte darüber hinaus auch nicht von drastischen »Massen-Aussterbeereignissen« betroffen (s. Kapitel 7). Insbesondere in tropischen Regionen sind im Verlauf der |150| Jahrmillionen u. a. mit Hörnern und anderen komplexen Panzerauswüchsen ausgestattete Käfer-Gattungen und -Familien entstanden (man denke hierbei an die einheimischen Hirschkäfer oder den großen Asiatischen Dreihornkäfer, s. Abb. 5.5). Diese Prozesse bezeichnen wir als Makroevolution (Kutschera 2008 a).
    Modern aussehende Käfer sind fossil erst aus der Trias-Periode bekannt (vor ca. 230 Mio. J.). Die Entwicklung von den Vorläufer(Proto)- zu den »echten«, an heutige Spezies erinnernden Käfern hat somit etwa 50 Mio. J. lang gedauert. Die eigentliche »explosionsartige« Diversifikation (Formen- und Artenzunahme ) im Reich der Käfer vollzog sich allerdings erst viel später in der Erdgeschichte. Während der Jura-Zeit (vor ca. 200 bis 140 Mio. J.) ereignete sich, nahezu zeitgleich mit dem Voranschreiten der Landpflanzen (Abb. 5.4), der entscheidende Evolutions-Schub im Reiche der »Dickflügler«. Das Forscherteam T. Hunt und Mitarbeiter hat auf Grundlage molekularbiologischer Daten Ende 2007 den bisher umfassendsten Käfer-Stammbaum erstellt. Die Wissenschaftler kommen zur Schlussfolgerung, dass sich die »Käfer-Artenexplosion« während der Jura-Zeit über die Besetzung unzähliger freier ökologischer Nischen, die teilweise mit der Expansion der Pflanzenwelt assoziiert war, vollzogen hat. Weiterhin hat diese Forschungsarbeit gezeigt, dass im Verlauf der Erdgeschichte an Land lebende Käfer-Populationen mindestens zehnmal unabhängig voneinander in den Lebensraum Wasser vorgedrungen sind und dort im Verlauf der Jahrmillionen unzählige, an dieses Habitat adaptierte Arten hervorgebracht haben (Makroevolution). So genannte »Schwimmkäfer«, wie die bereits erwähnten Dytiscidae (Adephaga; Gelbrand u. a.) oder die »Wasserkäfer« (Hydrophilidae ; Polyphaga; Kolbenkäfer u. a.) sind somit aus unabhängigen evolutionären Entwicklungslinien hervorgegangen

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