Tatsache Evolution
(Hunt et al. 2007). Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer polyphyletischen (aus zahlreichen unabhängigen Urformen evolvierte ) Organismengruppe (aquatische Coleopteren).
Die robusten »Dickflügler« dominieren noch heute bezüglich Arten- und Individuenzahlen viele Lebensräume der Erde und sind vom Menschen erstaunlich wenig bedroht (Hunt et al. |151| 2007). So ist z. B. die Bekämpfung von Schadinsekten (z. B. Kartoffelkäfer, Abb. 5.10) für den Menschen ein Problem, da immer wieder gegen die eingesetzten Insekten-Vertilgungsmittel (Insektizide) resistente Varietäten entstehen, die sich dann in der »schönen neuen Chemikalienwelt« rasch vermehren. Dieser »menschliche Wettlauf mit der Insekten-Mikroevolution « ist ein praktisches Problem von großer ökonomischer Bedeutung (Schädlinge vieler Nutzpflanzen, Ernteverluste usw.). |152| Am Beispiel des in Abb. 5.6 (rechts unten) und der Abbildung 5.10 dargestellten Kartoffel- oder Coloradokäfers (
Leptinotarsa
decemlineata
) soll das Vermehrungspotential einer repräsentativen Coleopteren-Art illustriert werden. Die zu den Blattkäfern (Chrysomelidae) zählenden gelben Vielfresser können zwei Jahre alt werden. Ein Weibchen legt insgesamt nach und nach bis zu 2500 Eier ab, aus denen die roten Larven schlüpfen. Nach Verpuppung im Boden treten dann die Jungkäfer hervor, die wieder eine Wirtspflanze befallen. Käfer sind somit »vermehrungsfreudige « holometabole Insekten: sie durchleben nach dem Schlüpfen aus dem Ei ein Larven-, Puppen- und Imago( Erwachsenen)-Stadium – eine für uns Menschen kaum vorstellbare Art der Individual-Entwicklung (Ontogenese).
Abb. 5.10: Vielfraß-Käfer (Adephaga) in Aktion. Der Kartoffelkäfer (
Leptinotarsa
decemlineata
) mit Eiern (A), geschlüpften Larven (B), ausgewachsenen Larven und Imagines (geschlechtsreife Adultformen) (C) auf dem Blatt einer Kartoffelpflanze (
Solanum tuberosum
). Der 1874 aus seiner Heimat Nordamerika nach Deutschland verschleppte, auch Coloradokäfer genannte Blattfresser breitet sich über Kartoffelpflanzen und andere Nachtschattengewächse noch immer in vielen Teilen der Erde stetig aus (Bio-Invasion ).
|152| Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es im Verlauf der Erdgeschichte (Karbon-Zeit, s. Abb. 5.4) zu einem Jahrmillionen langen »Sauerstoff-Spitzenwert« von etwa 31 Vol. % gekommen ist (der heutige Sauerstoff-Gehalt der Atmosphäre liegt bei 21 Vol. %). Dieser »O 2 -Puls« hat zum vorübergehenden »Insekten-Gigantismus « geführt (z. B. Riesen-Libelle,
Meganeura
, s. Kutschera 2008 a). Ob es in der Karbon-Zeit auch übergroße Käfer gab, ist mir nicht bekannt. Möglicherweise war der Chitinpanzer (Außenskelett der Insekten) zu schwer, um derartige Tiere am Leben zu erhalten. Die in Abb. 5.1 wiedergegebene Skizze, den auf einem Riesenkäfer reitenden Charles Darwin karikierend, soll die hier angesprochene Thematik verdeutlichen .
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Fehlerkorrektur: Von Elefantenherden und Käferhorden
In diesem Abschnitt soll noch ein kleiner Fehler, der sich im oben zitierten
Stern-
Interview befindet, korrigiert werden. Die von mir damals aus dem Gedächtnis wiedergegebene Säuger-Artenzahl von etwa 4600 stammt aus dem Jahr 1993. 15 Jahre später (2008) waren bereits rund 5480 Säugertier-Spezies beschrieben. Die Zahl der tatsächlich auf der Erde existierenden Mammalia-Arten liegt gemäß verschiedener Hochrechnungen |153| bei maximal 6000 (McDonald 2001). Großsäuger, wie z. B. die Elefanten (s. Kapitel 3 und 9), oder die Berggorillas, sind vom Aussterben bedroht. Die Zahl rezenter Mammalia-Arten wird möglicherweise aufgrund des ausgeprägten Jagd- und Zerstörungstriebes des Menschen in Zukunft eher ab- als zunehmen.
Nach Grimaldi und Engel (2005) muss die Zahl der real existierenden Käferarten auf mindestens 1,5 Millionen hochgerechnet werden, da nahezu täglich neue Spezies beschrieben werden , bevorzugt aus den tropischen Regionen der Erde. Auf Grundlage dieser Daten können wir errechnen, dass die Zahl rezenter Käferarten mindestens 250 Mal höher ist als diejenige der Säuger-Spezies.
Fazit: Der »Schöpfer« (d. h. die blinde Evolution) war ein Käfer-Fanatiker mit einer Vorliebe für die Polyphaga, einer Abneigung gegen die zum Aussterben »verdammten« Archostemata (Abb. 5.7 bis 5.9) und einem ausgeprägten »Willen« zur »Erschaffung« einzelliger Kleinstlebewesen (Bakterien, Algen, Amöben usw.; s. die Fünf-Reiche-Klassifizierung der Organismen ,
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