Tatsache Evolution
Persönlichkeit und psychischen Gesundheit des genialen russischen Evolutionsforschers steht derzeit noch aus.
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Charles Darwin, Constantin S. Merezhkowsky und das Löwen-Gleichnis
Vergleichen wir Leben und Werk von C. S. Merezhkowsky (1855 bis 1921) mit dem von Charles Darwin (1809 – 1882), so fallen zunächst einige überraschende
Gemeinsamkeiten
auf. Beide Evolutionsforscher haben als junge Männer auf einer Forschungsreise Anregungen erfahren, die über Jahre hinweg herangereift sind, ergänzt/vertieft wurden und dann – im 51. Lebensjahr – als umfassende Theorien formuliert und publiziert wurden. Zwei Schlüsselzitate sollen dies verdeutlichen. C. S. Merezhkowsky (1905): »Cyanophyceen leben tatsächlich als Symbionten im Zellprotoplasma; von der Endosymbiosentheorie ausgehend, ist es allein möglich, den Ursprung und die Phylogenie der Pflanzenwelt richtig zu verstehen«; C. Darwin (1859): »Ich bin davon überzeugt, dass die Arten nicht unveränderlich sind, … sondern die Abkömmlinge heute ausgestorbener Formen repräsentieren; die natürliche Selektion ist die wichtigste (jedoch nicht die einzige) Triebkraft der (Arten)-Modifikation .« Sowohl Merezhkowsky als auch Darwin waren davon überzeugt, dass die Evolution der Organismen tatsächlich stattgefunden hat und über eine allgemeine Theorie erklärt |248| werden kann. Merezhkowsky wandte sich gegen das Darwinsche Selektionskonzept und formulierte mit der Symbiogenese, d. h. dem Grundprinzip der »Evolution durch Integration, Domestikation und Kooperation« eine Alternative.
Wie Geus und Höxtermann (2007) im Detail dargelegt haben, wurden Merezhkowskys politisch-utopische Schriften, die u. a. rassistische und antijüdische Passagen enthalten, von den Vordenkern des Nationalsozialismus begrüßt. Man könnte daher den Begründer des auf Kooperation basierenden Symbiogenesis-Konzepts als einen geistigen Vorfahren der NS-Ideologie betrachten. Diese Schlussfolgerung gilt jedoch in dieser Form nicht für den »Selektionisten« Charles Darwin (Begründung, s. Kutschera 2004). In einem aktuellen Sachbuch von R. Weikart (2004) mit dem Titel
From Darwin to Hitler
wird der »Darwinismus « als eine der Ursachen für die NS-Verbrechen genannt. Dies ist jedoch aus Sicht der modernen Biologie anders zu sehen: Der »Merezhkowskyismus«, niedergelegt in utopisch-politischen Romanen und zahlreichen Schriften des hier vorgestellten russischen Biologen, ist mit der Weltanschauung von Hitler & Co. eher geistig verwandt als das Thesensystem des völlig unpolitischen Charles Darwin, der den Lebenszeit-Fortpflanzungserfolg (fitness) in den Mittelpunkt gestellt hatte. Eine detaillierte Analyse dieses Themenkomplexes , die u. a. zum »Sozial-Darwinismus« führen würde, kann hier nicht vorgenommen werden (s. Hoßfeld und Brömer 2001, Hoßfeld 2005).
Es soll nun Merezhkowskys »Löwen-Gleichnis« aus dem Jahr 1905 zitiert werden. Der Autor beginnt diese originellen Ausführungen mit der folgenden Feststellung: »Die Symbiosentheorie gibt ein viel tieferes Verständnis des ganzen Wesens der Pflanze. Alle die Eigentümlichkeiten, die eine Pflanze charakterisieren und sie vom Tiere unterscheiden, erscheinen im Lichte dieser Theorie als natürliche Folge einer Symbiose von Tierzelle und CO 2 -assimilierender Cyanophyceen.« Das »Löwen-Gleichnis « steht am Ende von Merezhkowskys klassischer Veröffentlichung aus dem Jahr 1905 (Abb. 8.4) und lautet im deutschen Original wie folgt: »Denken wir uns eine Palme ruhig am Ufer einer Quelle wachsend, und einen Löwen, der neben |249| ihr im Gebüsch verborgen liegt, alle seine Muskeln angestrengt, mit Blutgier in den Augen, fertig, auf eine Antilope zu springen, um sie zu erwürgen. Nur die Symbiosentheorie gestattet es, bis ins tiefste Geheimnis dieses Bildes einzudringen und die fundamentale Ursache, die zwei so ungeheuer verschiedene Erscheinungen wie eine Palme und einen Löwen hervorbringen konnten, zu erraten und zu verstehen. Die Palme benimmt sich so ruhig, so passiv, weil sie eine Symbiose ist, weil sie eine Unzahl von kleinen Arbeitern, grünen Sklaven (Chromatophoren ) enthält, die für sie arbeiten und sie ernähren. Der Löwe hat sich selbst zu ernähren. Denken wir uns jede Zelle des Löwen von Chromatophoren gefüllt, und ich zweifele nicht, dass er sich sofort neben der Palme ruhig hinlegen würde, sich satt fühlend oder höchstens noch etwas Wasser mit mineralischen Salzen bedürfend«
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