Tatsächlich Liebe in Notting Hill: Roman (German Edition)
Auszeit wirklich dringend nötig.«
»Ja …« Ich bekam ein schlechtes Gewissen, als ich daran dachte, was ich gerade tat. »Hör mal, Dad, ich muss los – ich bin ein wenig in Eile.« Und das war noch untertrieben.
»Da bist du nicht die Einzige. Ich führe unser Unternehmen hier gerade im Alleingang. Oder ist dir dieses winzige Detail schon wieder entfallen?«
Anhand seines Tonfalls merkte ich, dass mein Vater nur scherzte. »Dann wirst du mich ja umso mehr zu schätzen wissen, wenn ich wieder zurückkehre, Dad!« Unweigerlich musste ich grinsen. »Ich muss jetzt wirklich los, ich rufe dich an!«
»Okay, Kleines. Ich hab dich lieb!«
»Ich dich auch, Dad!«
Ich beendete das Gespräch und starrte auf mein Handy. Vielleicht hätte ich ihm alles erzählen sollen. Aber diese Suche nach meiner Mutter konnte durchaus im Nichts enden – welchen Sinn hatte es da, meinen Vater unnötig aufzuregen? Im Augenblick schien alles darauf hinauszulaufen, dass mein Versuch ergebnislos blieb, aber so schnell wollte ich noch nicht aufgeben.
Ich stopfte mein Handy in die Tasche zurück und schob mich durch die Drehtüren des Fenwick.
Na gut – wo sollte ich anfangen?
Ich wanderte durch sämtliche Abteilungen und stellte allen älteren Verkäuferinnen, die ich finden konnte, die gleiche Frage. Es war sinnlos, sich an die jüngeren zu wenden, da sie vor etwa zehn Jahren noch nicht hier gewesen sein konnten – falls meine Mutter überhaupt bei Fenwick gearbeitet hatte. Obwohl Dianas Informationen durchaus stimmen konnten, wurde die Chance, sie zu finden – oder jemanden, der mit ihr zusammengearbeitet hatte –, von Minute zu Minute geringer.
Ich kehrte ins Erdgeschoss zurück und machte mich auf den Weg zum Ausgang. In der Handtaschenabteilung blieb ich wie angewurzelt stehen – nicht etwa wegen der unverschämten Wucherpreise der Designerhandtaschen, sondern weil mir eine der Verkäuferinnen ins Auge gefallen war. Es war eine ältere Dame, die ich eben nicht gesehen hatte. Und der Grund, warum ich sie nun anstarrte, war ihr rabenschwarzes Haar, das sie hoch oben auf dem Kopf zu einem Dutt geknotet hatte. Als sie über den Rand ihrer Brille hinweg auf eine Werbetafel blickte, bemerkte ich zudem, dass ihre Augen den gleichen strahlenden Grünton hatten wie meine.
Sie schaute auf, und unsere Blicke trafen sich. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie mich freundlich.
»Nein – na ja, vielleicht doch.« Ich wusste nicht, was ich sagen sollte – ich war geschockt. Den ganzen Tag lang war ich die Bond Street auf und ab gelaufen, war unendlich müde und erschöpft, und nun könnte diese Frau, die gerade vor mir stand, tatsächlich meine Mutter sein. »Arbeiten Sie hier schon lange?«, fragte ich dümmlich.
»Seit etwa zehn Jahren – warum?«
»Oh, gut, ähm … Die Sache ist die … « Wie zum Teufel fragt man eine Frau, ob sie die Mutter ist, die ihre Tochter im Stich gelassen hat, als diese gerade einmal ein halbes Jahr alt war?
»Miss Sheila?«, hörte ich jemanden rufen. »Könnten Sie mir bitte bei diesem Kunden hier behilflich sein?«
Miss Sheila schaute zur gegenüberliegenden Seite der Theke. Ein älterer, verwirrt dreinblickender Gentleman hatte offenbar Probleme, sich für eine Handtasche – für seine Frau, wie ich annahm – zu entscheiden.
»Einen Augenblick, bitte – ich bin gleich wieder für Sie da.« Sheila schwebte mühelos zur anderen Seite der Theke hinüber. Dort sprach sie kurz mit dem Mann, demonstrierte gekonnt beide Taschen, indem sie sie öffnete und wieder schloss, sie sich unter den Arm hielt, sie in der Hand präsentierte und sich schließlich den Riemen über die Schulter schob. Endlich deutete der Gentleman auf die Tasche seiner Wahl – eine braune Unterarmtasche aus Leder, an der man eine Kette als Schulterriemen befestigen konnte.
»Michelle – einmal eine Geschenkverpackung, bitte!«, rief Sheila.
»Michelle hat gerade Pause, Miss.«
»Dann erledigen Sie das doch bitte, Leila.«
»Das kann ich nicht, Miss, das wurde mir noch nicht gezeigt – ich bin nur Praktikantin.«
Sheila hob die Brauen und verdrehte die Augen. »Dann wird es aber höchste Zeit, dass Sie es lernen. Sie können mir gerne zusehen.«
Auch ich beobachtete Sheila dabei, wie sie geschickt mit dem Geschenkpapier hantierte. Das fertige Geschenk war ein elegantes, in hellblaues Papier gewickeltes Paket mit dazu passendem Schleifenband. Das Ganze wurde in eine Cellophanhülle gesteckt, die ebenfalls mit einem
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