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Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras

Titel: Tauben im Gras - Koeppen, W: Tauben im Gras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Koeppen
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ihr nicht entziehen. Die Kapelle spielte Fuchs-du-hast-die-Gans-gestohlen. Der Saal hatte sich wieder erhoben. Alle hatten sich untergefaßt und sangen das Lied. Frau Behrend war von zwei kahlköpfigen Geschäftsleuten untergefaßt und sang gib-sie-wieder-her. Heinz wollte Frau Behrend das Bier ausschütten. Er drängte sich hinter Frau Behrend und die dicken kahlköpfigen Geschäftsleute. Aber als er dicht hinter Frau Behrend stand, traute sich Heinz nicht mehr, den Krug zu nehmen und das Bier auszuschütten. Er nahm nur das volle Schnapsglas, das neben dem Krug stand, und schüttete den Schnaps in das Bier. Dann entwischte er. Er war wieder Wildtöter, der die Rote Schlange suchte.
    Ezra schwitzte. Er zitterte. Er glaubte zu ersticken. Auch sein Vater war nun ein Riese geworden, einer der deutschen Riesen in dem deutschen Zauberwald. Christopher stand neben den andern und sang sonst-wird-dich -der-Jäger-holen-mit-dem-Schießgewehr. Er kannte die Worte nicht, er konnte sie nicht aussprechen, aber er bemühte sich, sie zu singen, und zuweilen unterstützte ihn sein deutscher Nachbar, stieß ihn an und sang die Worte deutlicher silbentrennend und belehrend Schieß-ge-wehr, und Christophernickte und lachte und hob den Bierkrug gegen den Nachbar, und dann bestellten Christopher und der Nachbar Würste und Rettiche, und sie aßen zusammen Würste und Rettiche, und Christopher ahnte nicht, daß sein Kind sich fürchtete. Wildtöter hatte sie gefunden. Er suchte den Blick der Roten Schlange und machte ihr ein Zeichen. Es war soweit. Ezra konnte dem Kampf nicht ausweichen. Der deutsche Junge war sein ihm von den Riesen des Waldes erwählter Gegner. Mit ihm mußte er sich messen. Mit ihm mußte er ringen. Wenn er den Jungen besiegte, hatte er den Wald besiegt. »Ich geh zum Auto«, sagte Ezra. - Christopher sagte: »Was willst du im Wagen? Bleib hier.« - »Ich sitz lieber im Auto«, sagte Ezra. »Komm auch bald. Wir müssen nach Hause fahren. Wir müssen ganz schnell nach Hause fahren.« Christopher dachte ›Ezra hat recht, es gefällt ihm nicht, es ist nichts für einen Jungen, er ist noch zu klein, ich werde mein Bier austrinken, und dann werde ich ihn ins Hotel fahren, ich kann ja noch mal zurückkommen wenn ich noch weiter Bier trinken will, wenn Ezra schläft kann ich zurückkommen und weiter Bier trinken. Es gefiel ihm. Das Bräuhaus gefiel ihm sehr. Es gefiel ihm, zu denken, daß er zurückkommen und weiter Bier trinken würde.
    Die Fama erreichte Frau Behrend. Ein Neger hatte gemordet, Neger waren Verbrecher, die Polizeisirenen kreischten, man suchte den Neger. »Es ist eine Schande«, sagte Frau Behrend. »Sie sind wie die wilden Tiere. Sie sind wie wilde reißende Tiere. Man sieht es ihnen ja an. Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen.« Der Geschäftsmann zur Linken von Frau Behrend verdächtigte sie im stillen, seinen Schnaps ausgetrunken zu haben. Er dachte ›sieh mal an, die Alte, ganz munter, trinkt heimlich meinen Schnaps und tut, als sei nichts gewesene Aber er fand, daß Frau Behrend eine anständige Gesinnung hatte. Mochte sie den Schnaps getrunken haben, sie hatte eine anständige Gesinnung, er würde ihr noch einen bestellen. Frau Behrend dachte ›ichkönnte es nicht erzählen, ich brächte es nicht über mich, aber wenn ich es erzählen könnte -‹. Sie malte sich das Erstaunen und die Entrüstung der Geschäftsleute aus. Sie dachte ›der Vater mit einem ausländischen Flitscherl und die Tochter mit einem Neger ‹. Und der amerikanische Neffe? Der Neffe hatte sich gedrückt. Er hatte sie genarrt. Er war nicht im Bräuhaus erschienen. Frau Behrend tat ergrimmt einen tiefen Zug aus ihrem Krug. Mit den Ausländern kannte man sich nicht aus. Bei den Steinkrügen sah man nicht, wieviel man noch drin hatte. Sollte sie wirklich schon das Bier ausgetrunken haben? Es war wahr; der Saal, die Musik, die Menschen, das Singen, die Erregung, der Ärger, die Verbrechen der Neger - alles machte einen durstig. Auch der andere Geschäftsmann dachte, daß Frau Behrends Gesinnung gut sei. Ihr Krug war leer. Er würde sie zu einem weiteren Bier einladen. Die Frau sah noch ganz gut aus. Aber vor allem hatte sie die richtige Gesinnung. Darauf kam es an. Was wollten die Neger hier? Es war eine Schande! Die Geschäftsleute hatten keine schwarzen Kunden.
    »Wo ist der Hund?« fragte Ezra, »ich will ihn sehen.« Die Rote Schlange wollte den Hund sehen. Wildtöter hatte es gefürchtet. Es konnte alles noch an dem

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