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Taubenkrieg

Taubenkrieg

Titel: Taubenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Lüpkes
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viel zu wenig zu essen, und Wencke war sich fast sicher, dass man dem Wasser, das man ihr reichte, irgendein Mittelchen beigesetzt hatte. Deswegen nahm sie nur winzige Schlückchen, auch wenn der Durst sie drängte, das Glas in einem Zug zu leeren. Doch selbst die kleinen Mengen sorgten für Zeitlupe in ihrem Hirn. Wencke tippte auf ein nicht allzu starkes Schlafmittel, das Lichtempfindlichkeit und dummerweise auch Mundtrockenheit verursachte, was den Durst weiter verschlimmerte. Keine Frage, die Jungs hier wussten genau, was sie taten.
    Inzwischen war sie sicher, dass sie nicht die erste Frau war, die in diesem Gefängnis ausharren musste. Ihr Zimmer mit dem Ikeabett befand sich in der linken hintersten Ecke. Daneben |254| gab es noch vier weitere, durch verschiebbare Schränke verborgene Türen. Ob die Räume dahinter auch belegt waren, war nicht auszumachen. Gehört hatte sie nichts, aber die Wände waren auch mindestens einen halben Meter dick.
    Vermutlich wurde diese alte Lagerhalle – oder was auch immer es von außen zu sein schien – als eine Art Auffanglager für die neuen Mädchen des
Hot Lady
und der anderen Bordelle genutzt. Frauen, die illegal aus Osteuropa, Afrika oder Asien nach Schwerin geschleust worden waren, lernten hier die Annehmlichkeiten des westlichen Wunderlandes von seiner schäbigsten Seite kennen. Danach musste ihnen ein Job in rot beleuchteten, plüschigen Etablissements wirklich wie das Paradies erscheinen.
    Praktischerweise konnte man diese Räumlichkeiten auch für Gefangene nehmen, wie Wencke es war. Leute, die herumschnüffelten und sich dabei erwischen ließen.
    Wenn man es mal ganz realistisch sah, grenzten die Chancen, dass Wencke hier jemals lebend oder auch nur unversehrt herauskommen würde, gen Null. Dazu wusste sie zu viel, und die, die ihr helfen könnten, zu wenig. Das hatte man davon, wenn man Alleingänge wagte: Endeten diese in einer Sackgasse voller bissiger Hunde, war niemand da, der einen da wieder rauszog.
    Die bissigen Hunde waren
Patch Blacky
, Paul Haigermann und Oberstaatsanwalt Gauly. Die traten hier zwar bislang nicht persönlich in Erscheinung, aber aufgrund der gezielt gestellten Fragen war Wencke inzwischen klar, dass diese drei Männer dahintersteckten, während zwei andere, ihr unbekannte Kerle, in deren Auftrag schon mal anfingen, die Daumenschrauben zuzudrehen. Sie wollten etwas herausbekommen. Was genau, wusste Wencke nicht. Es war nur klar, diese Endlosgespräche würden kaum irgendwann zu einem Ergebnis führen, sodass einer von ihnen sagte: »Danke, Frau Tydmers, damit wäre |255| alles geklärt, und Sie können jetzt gehen, einen schönen Tag noch.« Nein, die hatten nicht vor, sie laufen zu lassen. Wahrscheinlich beratschlagten sie in ihrem verborgenen Hinterzimmer lediglich darüber, ob sie kurzen Prozess machen oder Wencke lieber langsam verrotten lassen wollten.
    Die anderen Männer fürchtete Wencke nicht, sie waren unwichtig, hatten wie mittelalterliche Kerkermeister lediglich dafür zu sorgen, dass es Wasser und Brot gab und die Handschellen richtig um Wenckes Armgelenke saßen. Von ihnen ging keine direkte Gefahr aus. Sie schienen noch nicht einmal besonders clever zu sein, dafür aber stark für vier.
    Jetzt gerade hatten sie Wencke mal wieder aus ihrer Isolation geholt und auf den Stuhl gesetzt, der wie in einem klassischen Mafiafilm mitten im Raum stand. Sie begannen mit den Fragen, die auch schon der Einstieg in die letzten Verhörrunden gewesen waren. Fast mechanisch ratterte Wencke die Antworten runter und nutzte abermals die Gelegenheit, Wände, Decke und Fußboden nach Fluchtmöglichkeiten abzusuchen.
    »Nein, außer mir wusste niemand, dass ich zu Paul Haigermann gehen wollte.« Wäre sie doch nur ein Meerschweinchen oder etwas im entsprechenden Format, dann könnte sie ganz einfach durch den Lüftungsschacht verschwinden. »Wir wissen nicht, wer Leo Kellerbach ermordet hat, das habe ich Ihnen schon tausendmal gesagt.« Befände sich da irgendein Haken in der Wand, würde sie nach oben klettern und schauen, was sich hinter dem Mauervorsprung befand, vielleicht ja ein paar versteckte Fenster. »Bislang geht die Polizei meines Wissens noch immer davon aus, dass der Mord an Kellerbach von den
G-Point -Gangstern
verübt wurde.« Oder sollte sie einen von beiden irgendwie ausschalten? Das würde schwierig werden, ohne benutzbare Hände und mit Beinen so weich wie zwei überreife Bananen. »Nein, ich glaube nicht, dass hinter den

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