Taumel der Gefuehle - Roman
verbringen.
Er erkundete die Gänge von Battenburn, machte sich mit jeder Biegung und jedem Korridor vertraut, was ihm im Laufe des Tages, während die anderen Gäste im Haus umhergewandelt waren, nicht gelungen war. Er wollte sich nicht an den amourösen Versteckspielchen einiger verwegener Gäste beteiligen. Lady Powell, die liebenswürdige Witwe, hatte ihr Interesse an South bereits unverblümt gezeigt, kurz nachdem sie einander vorgestellt worden waren. Da der Viscount einen solch aufdringlichen Frontalangriff nicht schätzte, vermutete Northam, dass sein Freund fest – und allein – in seinem Bett schlief.
Dasselbe konnte von einigen der anderen Gäste nicht behauptet werden. Southerton hatte angemerkt, dass er Lord Allen und Lady Heathering beobachtet hatte, als diese heimlich in ein Nebenzimmer geschlichen waren. »Man möchte meinen, sie besäßen den Anstand, wenigstens die Tür zu schließen«, hatte er hinzugefügt. »Lord Heathering hätte zufällig vorbeikommen können!«
Schließlich fand Northam zurück zur Haupthalle. Farngewächse standen an jeder Seite der Prunktreppe. Vorsichtig, immer darauf bedacht, keinen Lärm zu verursachen, schlich er die Treppe hinunter. Früher am Tag war ihm die Bibliothek gezeigt worden, nachdem er ein reges Interesse an der Sammlung des Barons gezeigt hatte. Es bereitete ihm keine Schwierigkeiten, sie wieder zu finden. Die Tür öffnete sich lautlos, und Northam trat in den Raum. Das Licht einer Öllampe ließ ihn zusammenfahren. Er brauchte einen Moment, um die Person zu erkennen, die außerhalb des Lichtkegels am Schreibtisch des Barons saß.
»Lady Elizabeth«, stieß North überrascht hervor. Er hatte sich in Sicherheit gewogen, der einzige Mensch in diesem Haus zu sein, der nicht in seinem Bett lag. Deshalb hatte er es versäumt, darauf zu achten, ob die Bibliothek benutzt wurde. »Vergebt mir. Ich wusste nicht, dass sich jemand in diesem Raum aufhält.«
Elizabeth zog die Brauen hoch. Sie hatte sich einen grünen Flanellschal um die Schultern geworfen, den sie sich jetzt schnell um ihr Dekolletee schlang. Ihr Baumwollnachthemd war zwar weniger ausgeschnitten als das Abendkleid, das sie während der Musikvorführung vor wenigen Stunden noch getragen hatte, da es jedoch ganz offensichtlich für das Schlafgemach bestimmt war, fühlte sie sich unbehaglich. Man musste es Northam zugute halten, dass sein Blick nur auf ihrem Gesicht verharrte. »Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein?«, fragte sie höflich, aber bestimmt.
Northam blieb wie angewurzelt stehen. »Ich hoffte, etwas zu lesen zu finden.«
»Welch ein Glück, dass dies hier eine Bibliothek ist.«
»Ich wusste, dass dies hier die Bibliothek ist«, beteuerte er, »sonst hätte ich niemals die Verwegenheit besessen, einfach einzutreten.«
Elizabeth enthielt sich jeglichen Kommentars, in ihrem Schweigen lag allerdings zweifelnde Skepsis.
Northams Blick fiel auf die Feder und das Pergament, die vor Elizabeth lagen. »Euer Brief an den Oberst?« Sie nickte. »Ist es nicht zu spät, ein Schreiben zu verfassen?«
»Auch wenn ich meine Korrespondenz ein wenig vernachlässigt habe, ist es sicherlich nicht zu spät, meinem Onkel zu schreiben.«
Sie schien seine Frage absichtlich falsch verstanden zu haben, weshalb er sich nicht berichtigte. »Dürfte ich Euch noch ein wenig länger stören, bis ich ein passendes Buch gefunden habe?«
Sie machte eine einladende Bewegung mit dem Arm, die besagte, dass er sich gerne im Zimmer umsehen dürfe. Elizabeth gab den Versuch auf, sich wieder dem Schreiben zu widmen und beobachtete stattdessen Northam. »Gibt es ein besonderes Buch, das Ihr im Sinn habt?«
»Heute Nachmittag habe ich hier Das Bevölkerungsgesetz gesehen, das Hauptwerk von Malthus.«
»Seid Ihr sicher, dass Euch mit einem Glas heißer Milch nicht besser gedient wäre?« Über diese Bemerkung musste North laut lachen, und Elizabeth wurde daran erinnert, wie angenehm der Klang war. »Es befindet sich zu Eurer Rechten. Ein Regal weiter oben.«
Northams Zeigefinger glitt über den Prägedruck der Einbände, dann hielt er unvermittelt inne und richtete den Schein seiner Kerze auf ein Buch, das sein Interesse geweckt hatte. »Was ist das?« Vorsichtig griff er nach
dem Wälzer und lächelte, als er den Titel musterte. » Castle Rackrent «, las er laut vor. »Ein Schauerroman von Maria Edgeworth. Zweifelsohne ein Pseudonym, denn wer würde freiwillig seinen Namen für eine solche
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