Taumel der Gefuehle - Roman
kündete Napoleons Sturz an, ebenso sein späteres Exil auf Elba. Wenn sie solch weltbewegende Prophezeiungen weissagen kann, sollte eine Kleinigkeit wie die Identität des Gentleman-Diebs keine Schwierigkeit für sie darstellen.«
Louise lächelte fröhlich und offenherzig, als sei ihr die Idee, den Dieb mithilfe der Wahrsagerin zu überführen, gerade erst in den Sinn gekommen. Ob ihr das die Gäste abnahmen oder nicht, spielte keine Rolle. Lady Battenburn hatte die gebannte Aufmerksamkeit auf sich gezogen, und nun sonnte sie sich in diesem Triumph.
Majestätisch hob sie die Hand und zeigte langsam auf den Seiteneingang des Salons. Zwei Lakaien öffneten die Flügeltüren und gaben den Blick auf Louises geschätzten Gast frei.
Northam konnte nicht glauben, dass es sich tatsächlich um Madame Fortuna handelte. Er hatte eine greise Frau erwartet, und nun war er überrascht, dass die Jahre spurlos an der Hellseherin vorübergegangen waren, während er gealtert war. Kupferohrringe baumelten von ihren Ohrläppchen und streiften beinahe ihre verkrümmten
Schultern. Sie trug ein schwarzes Kleid und einen violetten Schal, der von einer gewaltigen Brosche aus Lapislazuli zusammengehalten wurde.
Rasch entschuldigte sich Southerton bei Lady Powell und schlängelte sich durch die Menschenmenge auf Northam zu. »Sie sieht genau so aus, wie ich sie in Erinnerung habe. Wie ist das möglich?«, flüsterte er seinem Freund zu.
North schüttelte den Kopf. Es war ihm selbst ein Rätsel. Sein Blick glitt zu Lady Battenburn. »Was hältst du von ihrem Plan?«, fragte er South.
»Den Dieb zu fangen?«
Er nickte.
»Bei jeder anderen Wahrsagerin würde ich sagen, dass es keinen Sinn hat.« South zuckte die Schultern. »Aber bei Madame weiß man nie. Sie soll sehr raffiniert sein. Wenn der Gentleman tatsächlich unter uns weilt, sollte er sich spätestens jetzt Sorgen machen.«
»Denkst du, sie wird sich an uns erinnern?«
South lächelte süffisant. »Nur wenn du sie darum bittest, ihre Brüste sehen zu dürfen.«
North musste das aufsteigende Lachen unterdrücken und täuschte einen Hustenanfall vor. Köpfe drehten sich in seine Richtung und gaben South einen Vorwand, ihm hart auf den Rücken zu klopfen.
»Es tut mir Leid«, raunte South, als Northam zusammenzuckte.
»Als wenn du es nicht genossen hättest!«
Grinsend wandte sich South ab und bemerkte Lady Powells mürrischen Gesichtsausdruck. »Du musst mich leider entschuldigen, alter Freund, aber Lady Powell versucht mich mit Blicken zu töten. Ich muss los.«
Aus den Augenwinkeln gewahrte North, dass Lady Powell nach Southertons Rückkehr wieder gnädiger gestimmt war. Armer South, dachte North mitleidig. Er würde sich eine andere Partnerin suchen müssen. Nur mit diesem Trick könnte er sich vor der aufdringlichen Verehrerin retten. Als könnte Southerton Gedanken lesen, hakte er sich bei Elizabeth ein und führte sie aus dem inneren Kreis der erwartungsvollen Menschen. Elizabeth lächelte und zögerte keinen Moment, South zu folgen. North seufzte lautlos und fragte sich, ob er diesen seltsamen kleinen Stich im Herzen stets verspüren würde, wenn er sie am Arm eines anderen Mannes sah. Dann entsann er sich ihrer Worte. Du darfst mir niemals vertrauen. Es schien, als würde sie ihn mit allen Mitteln daran erinnern wollen.
Die Gäste bildeten einen großen Halbkreis um Madame Fortuna, damit jeder ihren Auftritt verfolgen konnte. Lord Allen war der erste Freiwillige, der sich zu der Wahrsagerin wagte. Er ließ sich in dem Stuhl nieder, der Madame Fortuna gegenüberstand. Sie lächelte unbekümmert, während sie die Tarotkarten mischte. Dann bat sie ihn, eine Karte zu ziehen, was er mit einer schwungvollen Bewegung tat. Aufmerksam betrachtete Madame Fortuna sie einige Sekunden lang und brachte sie in Bezug zu der Frage, die Lord und Lady Battenburn beantwortet haben wollten. Konzentriert starrte sie Allen mit ihren dunklen Augen an.
»Ihr seid ein Dieb«, erklärte sie mit rauer Stimme. Die anderen Gäste drängten ein Stück näher zu ihr. »Aber kein Gentleman. Was Ihr Euch nehmt, wird Euch nur dem Anschein nach freiwillig gegeben.« Tadelnd drohte sie ihm mit dem Finger. »Ihr wisst, wovon ich spreche.«
»Wie auch der Rest von uns«, flüsterte South an Elizabeths Ohr. »Sie hat es so gut wie ausgesprochen, dass Allen eine Affäre mit einer verheirateten Frau hat. Wenn er jetzt nicht aufsteht, wird sie uns die Einzelheiten preisgeben. Glaubt nicht, dass sie es
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