Taumel der Gefuehle - Roman
Reichst du mir bitte mein Nachtgewand?«
Lachend warf sie es ihm an den Kopf. Er zog es an, und zusammen machten sie sich mit unverhohlenem Genuss über das Frühstück her.
»Ich habe nachgedacht«, meinte Elizabeth, die sich ein weiteres Stück knusprigen, wenn auch kalten Braten vom Teller nahm. »Vielleicht wäre es weise, wenn du die
Anwesenheit des Obersts bei unserer Hochzeit vor meinem Vater verschweigen würdest.«
»Oh?«
»Es ist nur so, dass die beiden einander nicht sonderlich mögen. Mein Vater würde sich unnötig aufregen, und das würde unseren Besuch nicht gerade vereinfachen.«
»Dann werde ich es nicht ansprechen.«
»Danke.« Elizabeth wusste, dass sie es nicht geschafft hatte, das volle Ausmaß ihrer Erleichterung zu überspielen. North maß sie eingehend. »Was ist los?«, wollte sie wissen.
»Du wolltest den Oberst überhaupt nicht bei unserer Trauung dabeihaben, nicht wahr?«
Was sie überraschte, war nicht seine Bemerkung, sondern die Unbeschwertheit, mit der er die Worte aussprach. »Nein«, sagte sie bedächtig. »Es ist jedoch nicht so, wie du denkst.«
»Und was denke ich?«
»Dass ich ihn nicht ebenso gerne mag wie er mich. Nichts könnte dem ferner liegen. Ich liebe ihn sehr. Es ist nur|...« Elizabeth schüttelte den Kopf. Zwar hätte sie fortfahren können, doch sie wollte nicht. Sie fragte sich, ob er den Unterschied bemerkte.
»Nur...?« Als sie nicht antwortete, wurde er ein wenig ungeduldig. »Bitte versuch mir nicht weiszumachen, du dachtest, die Reise sei zu anstrengend für ihn. Das war meine Überlegung, und ich bin zutiefst dankbar, dass South diesen Einwand nicht gelten ließ und ihn einlud.«
»Bist du sicher, dass es South war, der ihm schrieb?«
»Ja.« Er zögerte und runzelte die Stirn. »Wer sonst hätte es tun sollen?«
Elizabeth sagte nichts, sondern starrte ihn stattdessen mehrere Herzschläge lang an. Dann begann sie wieder zu essen. »Sein neuer Rollstuhl ist viel besser als sein letzter«, fügte sie gespielt ruhig hinzu.
Northam mochte es nicht, dass sie das Thema wechselte, doch für den Moment ließ er es zu. »Ich denke, der Oberst würde seine Krücken bevorzugen. Den Rollstuhl empfindet er als Niederlage.«
»Du hast natürlich Recht. Ich habe geredet, ohne nachzudenken. Du kennst ihn besser als ich.«
Ihm entging weder der Hauch von Traurigkeit noch die Wehmut in ihrer Stimme. »Das wird sich bald wieder ändern. Ich muss ihn häufig besuchen, und ich hoffe, du wirst mich begleiten.«
»Ja«, erwiderte Elizabeth zögernd. »Es ist sehr lieb von dir, diesen Vorschlag zu machen.« Ohne auf seinen wachsamen misstrauischen Blick einzugehen, fuhr sie fort: »Ihr habt gestern viel Zeit zusammen verbracht.«
»Das ist seltsam«, überlegte er. »Gerade wollte ich bemerken, dass es bei dir und Blackwood genau umgekehrt war. Man hätte den Eindruck haben können, du wärst ihm aus dem Weg gegangen.«
»Da täuschst du dich.«
North glaubte nicht, dass er sich geirrt hatte, bohrte allerdings nicht weiter nach. »Ich denke, er hätte dich gerne zum Altar geführt.«
Gerührt ließ Elizabeth die Gabel sinken und kämpfte gegen den Stich an, den ihr seine Worte versetzten. »Es wäre ein Mitleid erregender Anblick gewesen«, entgegnete sie kalt. »Er in seinem Rollstuhl, ich mit meinem Gebrechen. Ich hätte es nicht ertragen.«
Als hätte sie ihm eine Ohrfeige gegeben, zuckte North
zusammen. Erstarrt blickte er sie an. Dann setzte er seinen Teller ab und stand auf. »Ich muss kurz an die frische Luft.«
Elizabeth schluckte schwer, ihr ausgetrockneter Mund konnte keine Entschuldigung stammeln. Sie sah ihm zu, wie er seine Hosen, sein Hemd und die Schuhe aufsammelte. Er nahm sich noch nicht einmal die Zeit, sich das Jackett anzuziehen, sondern warf es sich lediglich über die Schulter. Obwohl er die Tür nicht geräuschvoll hinter sich schloss, zog sich Elizabeths Brust schmerzhaft zusammen, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
Während der Fahrt nach Rosemont sprachen die beiden kaum ein Wort miteinander. Sie saßen nebeneinander, ohne sich zu berühren. Elizabeth wünschte, er hätte seine Stute auf die Reise mitgebracht und könnte nun dieses letzte Stück neben der Kutsche her reiten. Das hätte ihr die nötige Ruhe gegeben, sich zu sammeln und die peinigenden Seelenqualen zu lindern.
Elizabeth konzentrierte sich darauf, den zartrosa Stoff ihres Musselinkleides glatt zu streichen. Erschrocken fuhr sie hoch, als sie Northams
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