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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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mir
nur der Gang zur Information bleibt und die Hoffnung, dass sie dort ist.
    Fehlanzeige. Allmählich sorge ich
mich ernsthaft, bete im Stillen, dass ihr nichts passiert ist, und sage mir zur
Beruhigung, dass ich das mitbekommen hätte.
    Ich müsste um eine Durchsage bitten,
aber wie soll die lauten? ›Die kleine Lena hat ihre Oma verloren‹?
    Panisch starte ich eine neue Runde
durch den Markt, stürme vorbei an Obst und Gemüse, Weihnachtsdeko und Kfz-Zubehör.
Währenddessen ertönen ständig diese Nummern-Durchsagen und rauben mir bald den letzten
Nerv. Schon wieder schallt der Ankündigungsgong durch den Laden. Diesmal ist die
Nachricht jedoch klar verständlich: ›Die kleine Oma hat ihre Lena verloren und wartet
jetzt im Blumengeschäft darauf, abgeholt zu werden.‹
    Auf dem Weg dorthin poltern mir
hundert Steine vom Herzen. Da spielt es auch keine Rolle, dass meine Großmutter
inzwischen wahrscheinlich den halben Shop für ihre ohnehin überfüllten Fensterbänke
leer gekauft haben wird.

Herzvoll + Kopflos = Trouble
     
    ›Da bist du ja wieder‹, schreibt Christoph am selben Abend.
    Jupp. Da bin ich wieder. Und da
klopft auch mein verräterisches Herz.
    ›Entschuldigung angenommen?‹, fragt
er, als ich nicht antworte.
    ›Nein‹, tippe ich wiederum nach
einer Weile. ›Ich möchte nicht, dass du dich entschuldigst. Weder hast du mich angegriffen
noch beleidigt, sondern mir lediglich geschrieben, dass du dich auf mich freust.
Daran gibt es nichts zu entschulden.‹
    Nun ist er es, der sich in Schweigen
hüllt. Der Cursor blinkt und blinkt und blinkt, bis endlich Text von ihm kommt:
›Wie hast du dir die vergangen Tage vertrieben? Noch mehr Bücher gelesen?‹
    ›Ich habe Zeit mit meinem Mann verbracht,
da er übers Wochenende zu Hause war. Außerdem habe ich ein Bild auf Leinwand gebracht
und einen Großteil der restlichen Stunden darüber nachgedacht.‹
    ›Was hast
du gemalt?‹
    ›Fast gar nichts.‹
    ›Ein abstraktes
Bild also.‹ Der entsprechende Smiley verrät, dass er amüsiert ist. ›Ein gelber Punkt,
ein blauer Strich und rundherum ein roter Kasten? Bring es in die nächste Galerie,
so was ist irgendwie in jedem Jahrhundert wahnsinnig gefragt. Vom Erlös kannst du
dir vielleicht zehn neue schwarze Oberteile leisten.‹
    ›Brillante
Idee!‹
    ›Kann ich es denn sehen, dein fast
gar nicht gemaltes Bild?‹
    Schwuppdiwupp habe ich mich zum
Ordner mit meinen Bildern durchgeklickt und suche ›Deep Blue‹ heraus, das ich erst
vor wenigen Stunden abfotografiert und gespeichert habe. Mein Herz schlägt bis zum
Hals, als ich es sende. Sobald es bei Christoph gelandet ist, springe ich auf, schnappe
meine Zigaretten und laufe nach oben auf die Terrasse.
    Ich will mich nicht fragen, warum
ich das getan habe oder warum ich wieder bin, wo ich bin. Ich will’s einfach nicht!
Also lasse ich es. Ich bin, wo ich bin, und ich habe getan, was ich getan habe.
    ›Wow!‹, lese ich, als ich wieder
in den Sessel vor den Bildschirm plumpse.
    Da ich mir über die Klangfarbe des
Ausdrucks unschlüssig bin, hake ich nach: ›Wow – gut? Oder wow – was für eine Katastrophe?‹
    Die Antwort braucht eine kleine
Ewigkeit. ›Ich weiß nicht, was ich schreiben soll.‹
    ›Warum nicht?‹
    ›Weil ich nicht weiß, ob ich es
so verstehe, wie es gemeint ist, oder in eine völlig falsche Richtung interpretiere.‹
    ›Welche Richtung ist das?‹
    Tick, tick, tick … verstreichen
die Sekunden. Meine Ungeduld verwandelt sich in Nervosität, die mir in den Magen
fährt, die mein Herz umklammert und daran rüttelt.
    ›Wirfst du öfter mit Farbe?‹
    ›Nein. Das war eine Premiere.‹
    ›Es hat mit mir zu tun, richtig?‹
    ›Irgendwie schon.‹
    ›Ich verstehe das als Kompliment.‹
    ›Das darfst du.‹
    Abermals schweigt Christoph. Löscht
er, wie ich, immer die Hälfte von dem, was er sagen will, oder sucht er das Bild
nach der Antwort ab?
    ›Ich würde gern offen mit dir sprechen‹,
lese ich irgendwann, und ein Kribbeln schleicht sich unter meine Haut. ›Aber ich
bin mir nicht sicher, ob du mich anhören willst.‹
    Kein Zweifel! ›Natürlich.‹
    ›Es gibt ein Lied von Coldplay,
das ich seit Tagen rauf und runter dudele.‹
    Ich kann mir denken, welches er
meint. ›Dieses Lied heißt »Trouble«, habe ich Recht?‹
    ›And oh,
I never ment to cause you trouble …‹
    Die Zeile des Songtextes piekst
wie eine Nadel in mein Bewusstsein. Nun bin ich diejenige, die keine Ahnung hat,
wie sie reagieren

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