Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Bekanntschaft zu machen und hoffe, du wirst mich dieser Ehre nicht für unwürdig achten; man mißtraut Abenteurern gewöhnlich, doch vor einem Manne wie du darf ich keine Geheimnisse noch Ausflüchte haben. Komm mit mir in das Innere meiner Höhle, ich habe dort einen Vorrat an Ziegenkäse und Kuchen, den ich gern mit dir teilen will; wir wollen sie in aller Ruhe verzehren und dabei offen miteinander reden!«
»Gern,« erwiderte Bergspalter, »Leute deines Standes liebe ich und habe deren mehr als einen gekannt, die nicht ihr ganzes Leben damit zugebracht haben, über den Schriften zu murmeln; und ich will dir gern mit dem Becher in der Faust die Beichte meiner begangenen Sünden ablegen!« »Ich habe weder Becher noch Humpen und bediene mich nur der Krüge«, versetzte der Einsiedler. »Und ich verzichte lieber auf die Krüge als auf den Wein.« »Wein?« rief der Einsiedler aus, »Wein bei einem Derwisch? Du machst, daß mir meine Barthaare zu Berge stehn! Bedenke, daß ich mich hierher zurückgezogen habe, um ein bußfertiges Leben zu führen; ich trinke nur klares Wasser mit etwas Honig vermischt und stelle daraus ein ziemlich gutes Getränk her!«
Der Hauptmann schüttelte den Kopf; aber er mußte sich den Umständen anpassen. Und er half seinem Gastgeber, die Käse und die Kuchen auf dem aus einem breiten Steine hergerichteten Tische aufzuhäufen; es war das aber ein Vorrat für acht Menschen; indessen war er nicht zu groß für die beiden Tischgenossen. Sie saßen auf Ruhebetten, die aus demselben Stoffe wie der Tisch bestanden, jeder hatte einen ungeheuren Krug voll Honigwasser neben sich stehen, und das Mahl begann.
Als der Einsiedler den ersten Käse gegessen hatte, ohne die Kruste zu entfernen, sprach er: »Laß uns eins darauf trinken, o Bruder!« Er setzte seinen Krug an und leerte ihn auf einen Zug. »Tu mir Bescheid«, sprach er dann zu Bergspalter, der ihn verwundert anblickte. Dieser sagte, bevor er auch trank: »Ohne Zweifel mußt du bis an die Zehen hohl sein, weil du den Krug, ohne einmal abzusetzen, hinuntertrinken konntest; wenn dir der Magen wie mir mit Steinen gepflastert wäre,, würde aus deinem Leibe ein regelrechter Fluß hervorkommen!« »Ach, o mein Bruder,« sagte der Derwisch darauf, »ich habe mich schon sehr gebessert; habe ich doch dies bußfertige Leben eingeschlagen, weil ich immer zuviel getrunken hatte; jetzt stille ich wohl noch meinen Durst, doch trinke ich nie mehr im Übermaße. Ich erstaunte im höchsten Erstaunen, als ich dich meinen Zwieback zerschneiden und zerkauen sah, nun wie ich dich meinerseits durch die Erzählung meiner Geschichte in Verwunderung setzen.
Ich heiße Ballayah oder Trinkaus; und hätte mir das Wasser nicht zu nüchtern geschmeckt, als ich in der Welt lebte, so würde ich die Flüsse ausgetrocknet haben; indessen hätte man mir nicht aus dem Meere zu trinken geben dürfen, denn die Würze dieses Getränkes hätte mich vielleicht genötigt, es auszusaufen.
Als ich mich eines Tages in Georgien bei einem Manne aufhielt, der mir hochherzigerweise ein Obdach gewährt hatte, war gerade die Weinlese beendigt, und jener hatte den Ertrag der seinigen eingekeltert; mein Bett befand sich aber unglücklicherweise zu nahebei dem Lagerraume; ganz plötzlich wurde ich durch einen so angenehmen Geruch aufgeweckt, daß ich der Versuchung, mich den Fässern, die ihn ausströmten, zu nähern, nicht widerstehen konnte. Und ich erkühnte mich, das Getränk zu kosten; und sein Wohlgeschmack übte eine solche Macht auf mich aus, daß ich in der Nacht zehn Aroben (welches ein Maß von fünfundzwanzig Kannen ist) ausleerte. Solches war der Ertrag der ganzen Lese; ich hatte indessen nur zehn Züge getan. Mein Gastgeber überraschte mich dabei und behandelte mich wie einen Trunkenbold; ich aber wurde ärgerlich ob dieses Vorwurfs und schlug ihn tot. Betrübt darüber, daß ich mich hatte hinreißen lassen, nahm ich das Derwischgewand und zwang mich, nichts anderes mehr als Honigwasser zu trinken. Diesem Entschluß zufolge irrte ich von Ort zu Ort, wählte die entlegenste Gegend und habe mich schließlich hier niedergelassen, wo ich mich in Muße mit Pflanzenkunde und Sterndeutung abgebe.«
»O mein lieber Heiliger,« versetzte Hauptmann Bergspalter, »da dich Trunkenheit zu einem Sterndeuter gemacht hat, muß ich dir von meinem Handel mit den Sternen erzählen. Ich bin ein wenig erbost auf meinen Stern und werde es nicht krummnehmen, wenn du mir dazu verhilfst, ihm
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