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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Harnisch sind ihre Herzen; Bogakan und Toromtai aber stehen an ihrer Spitze. Sobald sie die Grenzen von Siaûrs Reich Überschritten haben, brennen und sengen sie, töten und plündern alles, was ihnen zur Hand kommt; die wenigen unglücklichen Einwohner aber, die dem Schwerte und der Knechtschaft entrinnen, flüchten nach Dschenabad und verbreiten dort die größte Bestürzung.
    Der Sultan verhandelte mit seinem Diwan, dessen Meinungen jedoch geteilt waren: die einen wollten eine Schlacht schlagen, die anderen wollten lieber den Frieden durch Hurschids Überlieferung an den Tataren erkaufen, als sich den Fährlichkeiten des Kriegs aussetzen.
    Der König ließ schleunigst alle Streitkräfte seines Reichs versammeln und begab sich zu seiner Tochter nach dem Palaste.
    »O meine geliebte Tochter,« sprach er zu ihr, »alles ist verloren, wenigstens steht alles auf dem Spiele.« Zugleich unterrichtete er sie von dem Einfalle Bogakans und von den Beweggründen und Forderungen dieses Wüterichs.
    Ohne das Geheimnis, das ihr Gemach verbarg, zu entdecken, antwortete Hurschid ihrem Vater nur ganz kaltblütig:
    »O Vater, laß die Tataren nur immer herankommen: Allah ist gerecht, und unsere Sache ist gut.« Der Sultan konnte die Ruhe seiner Tochter nur für ein Zeichen ihrer geringen Erfahrung in den Begebenheiten dieser Welt halten. Indessen brachte er sein Heer zusammen; und als er vernommen hatte, daß Bogakans Heer schon bis zu der Stadt Amanabad vorgedrungen war, die nur etliche Tagereisen von Dschenabad entfernt lag, ließ er angreifen, und dies erstemal errangen die persischen Truppen einigen Vorteil. Durch solchen Erfolg mutig geworden, behandelte der König von Persien die Gesandten des tatarischen Königs, die nochmals seine Tochter als einzige Friedensbedingung forderten, sehr schnöde: er ließ dem vornehmsten von ihnen, namens Sirtak, den Schopf samt dem Knebelbarte abschneiden, was der härteste Schimpf für einen Tataren und die größte Beleidigung ist, die man im ganzen Morgenlande einem Gesandten antun kann. Bogakan nun geriet darob in Wut und war von Stund an des Sultans unversöhnlicher Feind.
    Das tatarische Heer setzte seinen Marsch gegen Persiens Hauptstadt fort, Und Sirtak ließ die tapfersten Streiter in Siaûrs Heere zum Zweikampfe herausfordern. Er war, obwohl ihm der Bart abgeschnitten war, ein furchtbarer Krieger; und selbst die Schnelligkeit, mit der binnen wenigen agen sein Bart wieder wuchs, bewies seine große angeborene Kraft. Siaûr erwählte nacheinander drei Kämpfer aus seinem Heere, welche die übermütige Herausforderung Sirtaks beantworten sollten, aber alle drei, obwohl sie die tapfersten im ganzen Heere waren, wurden von Sirtak besiegt.
    Endlich erschien in dem persischen Lager eine Art Riese, namens Sigan, der aus den Wäldern Hirkaniens stammte und dem König versicherte, er sei imstande, es mit jedem aufzunehmen, der ihm entgegentrete, und werde endlich auch den Sirtak besiegen.
    Wirklich hielt er Wort: nach einem furchtbaren Zweikampfe schleppte er seinen Gegner gefangen in das persische Lager herüber.
    Bogakan geriet in neue Wut. Sein Wesir Toromtai erinnerte ihn, daß er unter Anführung des tapfern Serddschan, des Unterkönigs der Tatarei, neue Hilfsscharen erwarte; der werde zweifelsohne den Sigan abtun. Wirklich kam dieser furchtbare Krieger nächsten Tages im Lager an; er kämpfte aber gewöhnlich auf einem gezähmten Elefanten, den er ebenso schnell und leicht wie ein numidisches Streitroß ansprengen und abschwenken ließ. Man unterrichtete ihn von der Lage der Dinge, und bald erschien er zwischen den beiden Heeren im Felde und forderte Sigan heraus.
    Dieser ließ sich durch das Ungeheuer, auf dem sein Gegner zum Kampfe daherritt, nicht abschrecken und antwortete, auf seinem hirkanischen Rosse fürchte er weder Ungetüme noch Eisenfresser, und mit Anbruch des Tages werde er sich unfehlbar zum Kampfe einstellen.
    Er blieb nicht aus; und die beiden Heere waren Zeugen eines wunderwürdigen Zweikampfs. In einer Hand eine Keule, in der andern ein Schwert und den Zügel seines Streitrosses zwischen den Zähnen haltend, hieb Sigan erst dem Elefanten den Rüssel ab, zerschmetterte ihm dann den Kopf und tötete ihn so. Der Tatar sprang behende auf den Boden und gedachte nun, den Zweikampf mit ihm fortzusetzen; der großmütige Hirkanier aber wollte seinen Vorteil nicht ausnutzen und erbot sich, den Kampf bis zum andern Tage zu verschieben, wenn Serddschan noch einen zweiten

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