Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
die Schätze des Kalifats«, sprach er, »würde ich mein Weib nicht geben; ob der Ungerechtigkeit des Statthalters habe ich beim Kalifen geklagt, und der Fürst der Rechtgläubigen ist noch ungerechter! Ich suche wider ihn Zuflucht am Throne des Weltenrichters!«
»Ich will dir kein Unrecht tun«, sprach Muawijah; »und will die Wahl deinem Weibe Saad lassen, sie selbst soll entscheiden zwischen mir und dir. Sprich denn, o Saad, was du lieber willst, den Fürsten der Rechtgläubigen in all seiner Macht und Herrlichkeit, oder Merwan, den Statthalter, mit seiner himmelschreienden Ungerechtigkeit, oder den Beduinen mit seiner Armut und mit dem Elend der Wüste.« »O Fürst der Rechtgläubigen,« antwortete die Beduinin, »mich blendet nicht der Schimmer des Thrones, wo ich keinen Freund finden würde. Mein Gemahl ist mein alter und treuer Freund, mit dem ich die Tage des Unglücks verleben will, wie ich mit ihm die Tage des Glücks verlebt habe!«
Den Kalifen rührte die Treue dieses Beduinenpaares, er schenkte ihnen tausend Dirhems und sandte sie vergnügt und glücklieh in die Wüste zurück.
Abdorrahman Hatebi meldet von der Tochter Abu Selmas, des berühmten Geschichtenerzählers, folgendes Abenteuer:
»Ich befand mich eines Tages auf meinem Spaziergange vor einem herrlichen Palaste und befahl meinen Sklaven, den Teppich auszubreiten, und zwar auf der steinernen Estrade vor dem Tore des Palastes, um das, sagte ich, was ich den Tag über geschrieben habe, bei mir überlesen zu können. Durch den Torweg hindurch sah ich im Hofe fünfzig Sklavinnen in grüne Seide gekleidet mit goldenen Gürteln, eine schöner als die andere, und in ihrer Mitte eine Dame, deren Schönheit die ihrer Sklavinnen bei weitem übertraf.
Die nun vertrieb sich die Zeit mit Schießen nach dem Ziel. Der Bogen war aus Gold, die Pfeile mit kostbaren Steinen besetzt. Sie hatte mich kaum erblickt, so rief sie ihren Sklavinnen zu: ›Wer ist der Fremde? Schließet das Tor zu, ziehet den Vorhang vor.‹ Ich war halb verzweifelt und brannte vor Ungeduld, zu erfahren, wem der Palast gehöre, und gab einem meiner Sklaven den Auftrag, sich nach dem Namen des Eigentümers zu erkundigen, und ich vernahm, er gehöre Dunje, der Tochter Abu Selmas, des berühmten Geschichtenerzählers; sie habe hunderttausend Dinare von ihrer Mutter geerbt, und von vielen Emiren und Wesiren zum Weibe begehrt, habe sie bisher ihre Hand standhaft ausgeschlagen, denn sie ziehe dem Ehestande das freie Leben als Mädchen vor und vertreibe sich die Zeit mit Jagen und Fischen, Spaziergängen und Scheibenschießen. Nach dieser eingeholten Nachricht aber blieb ich sitzen, wo ich war, bis Abu Selma selbst nach Hause kam. ›Ich befinde mich hier,‹ redete ich ihn an,›um deine Tochter zum Weibe zu begehren; du kennst mein Herkommen und meinen Stand.‹ ›Ich weiß,‹ antwortete er, ›daß du, wie ich, in gerader Linie vom Blute des Propheten herstammest, denn sonst würde ich mir ein Gewissen daraus machen, deinen Antrag nur anzuhören. So habe ich zwar nichts dagegen, aber die Schwierigkeit kommt von meiner Tochter selbst, die sich nicht vermählen will. Um dich indessen zu befriedigen, will ich ihr den Vorschlag machen!‹ Er lüftete den Vorhang und ging in den Hof hinein. ›O meine Tochter,‹ hörte ich ihn sprechen, ›ich traf vor der Türe einen jungen, wohlgebildeten Menschen von guter Familie an.‹ ›Was will er, o mein Vater? Will er eine Sklavin kaufen? Gefällt ihm vielleicht eine der meinigen? Befindet er sich in Geldmangel?‹ ›Nichts von alledem, o meine Tochter, er begehrt dich zur Gemahlin!‹ ›Er ist närrisch, und du auch, o mein Vater. Denn wie oft habe ich dir nicht gesagt, daß ich von solchen Vorschlägen nichts hören will.‹ Abu Selma kam beschämt und zornig zurück. ›Du hast nun mit eigenen Ohren gehört,‹ sprach er, ›was für ein Wildfang sie ist.‹ ›Tut nichts zur Sache,‹ antwortete ich, ›gib sie mir immer zum Weibe, ich werde ihrer schon noch Meister werden.‹ Der Scheich, dessen Geduld durch die Weigerung seiner Tochter schon längst erschöpft war, gab meinem Vorschlag Gehör und versprach, noch selbigen Abends meinen Heiratsvertrag zu unterschreiben und seine Tochter außer der Erbschaft mit zwanzigtausend Dinaren auszustatten.
Wir sprachen noch zusammen, als eine Sklavin herauskam und zum Scheich sagte: ›Gruß zuvor von meiner Herrin, sie hat sich endlich entschlossen, in den Stand der Ehe zu treten; aber erst in
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