Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
das mir auf meinen Zügen vorgekommen ist.«
Omar machte eines Abends in Medina als Kalif selbst die Runde. Aus einem Hause, dessen Tor gesperrt war, tönte ihm gedämpfter Lautenschall entgegen. Er stieg auf das Dach und sah einen Mann, der mit einer Buhlerin sang und trank und koste. »O Nichtswürdiger!« rief ihm Omar von der Terrasse aus zu, »dir ists nicht genug an einer einfachen Übertretung des Gesetzes, sondern Weib und Wein und Saitenspiel mußt du vereinen, auf daß du dreifache Schuld auf dich ladest!« »O Fürst der Rechtgläubigen, wenn du deinen heiligen Eifer ein wenig mildern möchtest, so hätte ich dir auch ein Wort zu sagen!« »Sprich!« »Wenn ich dreifache Schuld auf mich geladen, so hast dus nicht minder; denn der Koran spricht: Hütet euch, den Ausspäher zu machen – du aber kamst als solcher. Weiter: Geht durch die Türen ins Haus hinein – du bist durchs Dach hereingekommen; und endlich: Wenn ihr ein Haus betretet, so grüßt seine Bewohner – du aber bist ohne Gruß hereingekommen!« Omar, der Kalif, bestieg eines Tages den Gebetstuhl, in der einen Hand den Koran, in der andern das Schwert. Seine ganze Rede bestand aus zwei Worten: »Was brauch ich euch zu sagen? Denen, die auf dem geraden Wege wandeln, genügt Allahs Wort, der Koran, die andern aber soll das Schwert gerade machen. Inschallah!«
Muawijah Ibn Sufjan, der erste Kalif aus der Familie der Umaijaden, saß an einem der heißesten Sommertage auf dem umschatteten Balkon seines Palastes zu Damaskus, den die Luft von vier Seiten durchstrich. So genoß er einiger Kühle in der größten Hitze des Mittags.
Er sah hinaus ins Freie und hinunter in die Stadt. Dort sah er nichts als den Wasserschein, der von den Feldern aufstieg, hier den Sonnenglanz, der von den weißen Mauern und Terrassen der Häuser widerschien. Endlich erblickte er einen Mann, der allein in den leeren Straßen gegen den Palast heraufkam. Mit großen Schritten arbeitete er sich durch den Staub, den er mit seinem Schweiße begoß.
»Könnt ihr euch etwas Unangenehmeres denken«, sprach der Kalif zu den Hofleuten, die ihn umgaben, »als in dieser Stunde des Tages auszugehen?« Einer der Anwesenden nun bemerkte alsbald, daß dieser arme Mann sich in großer Not befinden und gekommen sein dürfte, um eine Gnade beim Kalifen zu suchen. »In diesem Falle soll er sogleich hereingelassen werden!« sprach Muawijah.
Er erschien und warf sich zu den Füßen des Kalifen nieder, der ihn fragte, woher er sei und was er wolle. Es war ein Araber aus dem Stamme Temim, und er war gekommen, Gerechtigkeit am Fuße des Thrones zu suchen wider die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückungen des Statthalters Merwan, des Sohnes Alhokms. »Ich hatte«, sprach er weinend, »ein Weib, das ich von ganzer Seele liebte. Sie war die Freude meiner Augen und mir mehr wert als alle meine Kamele. Die Hungersnot des letzten Jahres fraß mein Hab und Gut auf; mir blieb nichts übrig, um meine Freunde zu bewirten. Als mein Schwiegervater die schlimme Lage, in die ich geraten war, vernommen hatte, nahm er seine Tochter mit Gewalt zurück. Ich brachte meine Klage bei deinem Statthalter Merwan an, dem Sohne Alhokms. Statt mir Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, schickte er mich ins Gefängnis und begehrte, ich solle mich von meinem Weibe scheiden, auf daß er es nehmen könne. Ich weigerte mich standhaft; desungeachtet nahm er sie mit Gewalt zur Frau, und erst nach vollbrachter Hochzeit, und nachdem ich tausend Foltern ausgestanden hatte, ließ er mich wieder los. Der erste Gebrauch, den ich von meiner Freiheit mache, ist, daß ich, o Fürst der Rechtgläubigen, zu deinen Füßen um Gerechtigkeit flehe!« Muawijah konnte die Regungen eines gerechten Zornes gegen seinen Statthalter nicht unterdrücken. Er schrieb ihm eigenhändig einen strengen Verweis und sandte einen besonderen Abgeordneten aus, um das Weib des Arabers zu holen. Merwan, der Sohn Alhokms, vergoß Tränen bitterer Reue beim Empfange des Handschreibens und schied sich sogleich von der Beduinin und flehte um die Verzeihung des Kalifen. Dieser verzieh und befahl, die Beduinin vorzuführen.
Er sah ein Weib von außerordentlicher Schönheit; er sprach mit ihr und wurde bezaubert von ihrem Geiste und ihrer Beredsamkeit. Und er machte dem Araber den Vorschlag, sein Weib mit der schönsten Sklavin des Harems zu vertauschen und obendrein eine ansehnliche Summe Geldes zu nehmen. Der Araber stieß ein erbarmungswürdiges Geschrei aus: »Um
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