Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
erzählen.
»Ich war eines Tages«, erzählte Amru, »auf die Jagd ausgegangen. Da fand ich auf der Heide ein Pferd an einen Pfahl gebunden, eine Lanze senkrecht in die Erde gesteckt und einen Menschen daneben ins Gras gelagert. Er spielte mit seinem Schwertgehenke. ›Habeacht‹ rief ich ihm zu, ›du bist ein Kind des Todes.‹ ›Und wer bist du?‹ fragte er mich mit halb erstickter Stimme. ›Ich bin Amru, der Sohn Modikorbs, des Zobeiditen, der Held; weitberühmt unter den arabischen Stämmen.‹ Kaum hatte ich diese Worte vollendet, als der Mann einen Schrei ausstieß und seine Seele von sich gab. Und solches ist das Beispiel der größten Feigheit, die mir je vorgekommen ist.
Ein andermal tummelte ich mein Pferd auf der Heide, bald rechts, bald links, ohne bestimmten Zweck. Ich begegnete einem blühenden Jüngling, der von Jemama herkam. Er grüßte mich und ich ihn, und ich fragte dann nach seinem Namen. ›Ich bin‹, sprach er, ›Hareß, Saads Sohn.‹ ›Habe acht,‹ rief ich ihm zu, ›du bist ein Kind des Todes.‹ ›Und wer bist du, o Elender, der du so zu prahlen wagest?‹ ›Ich bin Amru, der Sohn Modikorbs, berühmt unter den Arabern.‹ ›Dein Stammbaum soll dich nicht retten‹, rief er, und wir rannten mit vorgehaltenen Lanzen gegeneinander. Ich stieß ihn gerade auf die Brust, aber der Stoß prallte ab, und ich empfing einen mächtigen Hieb auf das Haupt. ›Laß ab,‹ rief er, ›o Amru, nimm dies als Lehrgeld, ich will mich nicht mit deinem Blute beflecken.‹ Ich war gedemütigt und hätte den Tod tausendmal der Schande vorgezogen. Dreimal brachen wir unsere Lanzen, dreimal wurde ich auf dieselbe Weise gedemütigt. Endlich bat ich ihn, mein Freund zu sein. ›Ich brauche deine Freundschaft nicht‹, erwiderte er, und dieses Wort demütigte mich mehr denn alles Vorhergehende. Doch ließ ich nicht von zudringlicher Vorstellung ab. ›Unglück über dich!‹ sprach er, ›du weißt nicht, daß mein Weg gerade in den blutigen Tod führt.‹ ›Es sei,‹ entgegnete ich, ›ich will ihn Hand in Hand mit dir wandeln.‹ Wir ritten einen ganzen Tag lang miteinander, des Abends kamen wir an ein Zelt. ›Siehst du,‹ sprach er, ›o Amru, dort ist das Zelt des blutigen Todes. Nun steige ab und halte mir mein Pferd, auf daß ich mich vorbereiten kann; oder willst du es lieber, so halte ich deines.‹
Ich ließ es mir gefallen, den Stallknecht zu machen, und hielt sein Pferd. Er ging gegen das Zelt und rief eine Jungfrau heraus, die schönste, die ich jemals gesehen habe, und setzte sie auf ein Kamel, und indem er mir den Zügel in die Hand gab, sprach er: ›Führe sie, ich werde sie geleiten, oder wenn du es lieber willst, so geleite du sie, und ich werde sie führen.‹ Ich nahm geduldig den Zügel des Kamels und führte es. So zogen wir die ganze Nacht. Gegen Tagesanbruch fragte mich der Jüngling: ›O Amru, siehst du etwas?‹ ›Ich sehe Reiter von weitem in grauender Dämmerung.‹ ›Sind es deren viele,‹ fuhr er fort, ›so hat es nichts zu sagen, sind es aber wenige, so ist der blutige Tod unter ihnen.‹ ›Nun sehe ich deutlicher, es sind deren nur vier.‹ ›Wohlan, halte die Rechte des Weges, ich halte die Linke.‹ Die vier Reiter aber kamen näher und näher. Es war der Vater der Jungfrau und ihre drei Brüder. Sie grüßten uns, wir sie. ›Leiste auf meine Tochter Verzicht‹, rief der Greis dem Jüngling zu. ›Wenn ich sie lassen wollte,‹ erwiderte dieser, ›so hätte ich sie nicht entführt!‹ Der erste der Brüder des Mädchens rannte nun auf ihren Entführer los und blieb tot auf den ersten Lanzenstoß. Dasselbe Los hatten die beiden andern Brüder. Der Vater beweinte den Tod seiner drei Söhne und bat den Jüngling noch einmal inständig, von seiner Tochter abzulassen. ›Wenn ich von ihr ablassen wollte, hätte ich sie nicht mitgenommen!‹ war seine Antwort. Nun stürzten sie beide aufeinander los. Der Greis riß mit seiner Lanze die Brust des Jünglings auf, der jedoch spaltete den Kopf des Greises. Sie fielen zu gleicher Zeit. Der Kampf hatte mir vier Lanzen und vier Pferde verschafft. Die Jungfrau, sei es, daß sie mehr den Tod ihres Vaters und ihrer Brüder als den ihres Geliebten rächen zu müssen glaubte, sei es, weil sie lebenssatt war, stürzte sich jetzt auf mich. Ich mußte mich wider meinen Willen gegen ihre Stöße verteidigen. Sie fiel unter den meinigen. Solches war der Vorgang der blutigen Vernichtung, das Beispiel der größten Tapferkeit,
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