Tausend und eine Nacht, Band 4
Tauris und freue mich, sogleich deinen Hahn auslösen und dich für die gute Aufnahme, die ich bei dir gefunden, belohnen zu können. Ich sagte dann, auf die Beduinen hindeutend, meinen Leuten, welche sich inzwischen uns genähert hatten und vor Freude, mich wiedergefunden zu haben, ganz außer sich waren: Diesem Manne habe ich es zu verdanken, daß mir in der Nacht nichts Unangenehmes zugestoßen ist; wer mich liebt, der gebe ihm einen Beweis seiner Erkenntlichkeit. Kaum hatte ich dies gesagt, da warf ihm ein jeder, was er an Geld oder Kleidungsstücken entbehren konnte, zu; ich selbst aber befahl meinem Schatzmeister, ihm zehntausend Dinare auszubezahlen und schenkte ihm dazu noch zwanzig vorzügliche Pferde und hundert Mamelucken. Dann ließ ich alle Beduinen, welche im Lager waren, zusammenkommen und sagte ihnen: Wisset, ich bin der König von Tauris, und der Mann, bei dem ich die Nacht zugebracht, ist mir teurer als ein Bruder geworden; ich wollte ihn mit mir nehmen und ihm ein hohes Amt verleihen, aber er kann sich nicht entschließen euch zu verlassen. Darum ist es eure Schuldigkeit, ihn als eueren Oberen anzuerkennen; ich fordere es hiermit von euch, und solltet ihr je ihm ungehorsam werden, so lasse ich keine eurer Wohnungen unverwüstet, und niemand soll darin bleiben, der imstande wäre, ein Feuer anzublasen. Alle Beduinen riefen einstimmig: Wir gehorchen Gott und dir! Ich sagte dann meinem Wirt noch besonders: Bedarfst du je meiner, so sende mir nur einen Boten, der sich als Abgesandter des Herrn vom weißen Hahn bei mir melden lasse, und fordertest du die Hälfte meines Königreiches, so soll sie dir gewährt werden. Ich nahm hierauf Abschied von den Beduinen und kehrte mit meinen Leuten in meine Hauptstadt zurück. Als wir aber das Tor erreichten, vernahmen wir ein so furchtbares Getöse, daß wir glaubten, die ganze Stadt müsse zusammenstürzen, und als ich fragte, was das bedeute, flog ein riesenhafter Geist auf mich zu und sagte: Nun will ich den Tod meines teuren Sohnes rächen! Er hob mich hierauf aus meinem Sattel und schwang sich mit mir in die Luft. Ich weiß nicht, wie lange er mit mir umherflog, denn ich verlor bald das Bewußtsein. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich auf einer Insel, welche von verschiedenartigen Genien bewohnt war: Die einen waren lang, die anderen kurz, bei den einen sah man vor vielen Haaren kein Gesicht, bei anderen nichts als Knochen ohne Fleisch; auch befanden sich Köpfe ohne Rumpf und Rümpfe ohne Kopf unter ihnen; sie schienen aber alle sehr niedergeschlagen, und viele weinten und jammerten ganz laut und schlugen sich dazu ins Gesicht. Nach langem Schweigen sagte der Genius, der mich auf diese Insel gebracht, mit einer Stimme, welche dem Donner glich: Hier ist der Mörder meines Sohnes, was beginnen wir mit ihm? Da riefen einige Genien in Elefantengestalt: Gib ihn her, daß wir sein Fleisch essen und sein Blut trinken. Aber ein Genius, der mehr einem Menschen glich, sagte: Es steht keinem von uns zu, diesen Mann zu richten; er muß vor unseren König geführt werden. Ich brachte die Nacht, von zwei furchtbaren Genien bewacht, in einem Gefängnis zu und wurde am folgenden Tag in ein großes Zelt gebracht, in welchem der König, von seinen Vezieren umgeben, saß. Der König schien schon von allem unterrichtet, denn sobald er mich sah, sagte er: Du Mensch, hast den Sohn dieses Genius umgebracht, und deutete dabei auf den Geist, der mich auf die Insel getragen. Verzeihe, mächtiger König! rief ich; ich habe den Sohn dieses Genius nie gesehen; ich weiß nicht, ob er groß oder klein, weiß oder schwarz ist. Erzähle mir, sagte der König zu meinem Ankläger, auf welche Weise dieser Mensch deinen Sohn getötet hat. – Mein Sohn, versetzte der Genius, lief in Gazellengestalt umher; da verfolgte ihn dieser Mensch den ganzen Tag und tötete ihn mit einem Pfeil. Hier ist der Pfeil, setzt er hinzu, indem er einen Pfeil dem König hinreichte, den ich meinem armen Sohn aus dem Leib gezogen. Der König betrachtete den Pfeil eine Weile; dann überreichte er ihn einem seiner Veziere. Dieser drehte ihn nach allen Seiten um und sagte: Dieser Pfeil ist von einem Djinn vergiftet, sonst hätte er nicht die Kraft gehabt, einen Geist in Gazellengestalt in Asche zu verwandeln. Der Mensch ist daher unschuldig: Das Leben dieses Geistes war zu Ende; dieser Mensch war nur ein willenloses Werkzeug der Bestimmung.
Als der König dies hörte, befahl er dem Vater des Getöteten, mich
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