Tausendschön
Wahlwiederholungstaste.
» Entschuldigen Sie, Herr Blom, wenn ich noch einmal störe. Ich wollte nur fragen, ob Sie jetzt im Nachhinein die Möglichkeit hatten, sich den Pass näher anzusehen. Den Pass von Therese Björk.«
» Der ist nach wie vor im Gewahrsam der thailändischen Polizei«, antwortete er. » Aber wir haben inzwischen erfahren, dass der Pass gefälscht ist.«
Fredrika dachte angestrengt nach. Eine junge Frau, die aufgrund falscher Angaben in Stockholm für tot erklärt wurde. Die dann mit einem falschen Pass im Gepäck in Bangkok auftauchte. Wer bitte schön ging denn freiwillig ein solches Risiko ein?
Irgendjemand, der gewusst hatte, dass Therese Björk nicht würde verhindern können, dass ihre Identität für Drogengeschäfte in Thailand missbraucht würde.
Die Ahnung verdichtete sich. Sie brauchte weniger als zwei Minuten, um Therese Björks Personendaten aus dem Melderegister der Polizei aufzurufen. Sie war ein Jahr jünger als Karolina und seit drei Jahren bei ihrer Mutter gemeldet.
Einer raschen Eingebung folgend, tippte Fredrika die Personennummer von Therese Björk ins Strafregister ein. Die Frau war für kleinere Vergehen und Verbrechen bestraft worden.
Fredrika klickte sich weiter bis zu den laufenden Ermittlungsverfahren. Auch dort kam sie vor: verdächtig, einen Mann misshandelt zu haben, von dem sie behauptete, er habe sie vergewaltigen wollen.
Sie nahm den Hörer zur Hand und wählte die Nummer. Ein kurzes Gespräch würde sie noch schaffen, ehe die Morgenbesprechung in der Löwengrube anfing.
Beim fünften Klingeln ging jemand ran.
» Mein Name ist Fredrika Bergman. Darf ich Ihnen ein paar Fragen zu Ihrer Tochter Therese stellen?«
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hatte er das Gefühl, entschlussfreudig und tatkräftig zu handeln. Es waren schon viel zu viele Jahre ins Land gegangen, und wahrscheinlich war er zu spät dran. Doch das spielte keine Rolle mehr, denn Spencer Lagergren hatte sich entschieden, und die Reise, auf die er sich endlich begeben hatte, konnte er nur mehr allein unternehmen.
Niemand darf es wissen, entschied er. Höchstens hinterher.
Er fuhr von Uppsala nach Stockholm und dann weiter nach Jönköping. Es sah ganz so aus, als würde die Wolkendecke aufreißen und ein wenig Sonne durchlassen. Ein schöner Wintertag Anfang März. Nicht ohne Ironie stellte er fest, dass er sich für sein Projekt eine hübsche Kulisse ausgesucht hatte.
Seine Gedanken wanderten unwillkürlich zu seiner und Evas gemeinsamen ersten Monaten. Was sie geteilt hatten, das Lebenswerk, das zu verwirklichen sie sich vorgenommen hatten, war noch immer ohne Vergleich. Mitunter hatte er sich natürlich gefragt, ob er sie jemals geliebt hatte, aber das war selten vorgekommen. Denn natürlich hatte er sie geliebt. Etwas anderes zu behaupten, hieße zu lügen. Das Problem war nur, dass diese Liebe eine so verdammt ungesunde Basis gehabt hatte.
Irgendwie waren Leidenschaft und Attraktion bei ihnen auf eine Weise miteinander verbunden, die man bestenfalls als unglücklich und schlimmstenfalls als katastrophal bezeichnen konnte. Als könnte man eine lebenslange Liebe auf physische Attraktion aufbauen. Als könnte man physische Attraktion aufrechterhalten, wenn nach dem Fest der Alltag kam und der Körper, der eine Abenteuerlandschaft gewesen war, zu einem altbekannten Stadtviertel wurde.
Er vermochte nicht, sich zu erinnern, wer von ihnen den anderen zuerst losgelassen hatte. Es gab so vieles in ihrer Vergangenheit, das er eingemottet und weggesperrt hatte in der Hoffnung, es zu vergessen.
Wie konnten wir uns das nur antun?
Sein Schwiegervater trug fraglos eine große Mitschuld daran. Er kannte Spencers allerdunkelstes Geheimnis, das so beschämend war, dass er es nicht einmal seinen eigenen Eltern oder Freunden gestanden hatte.
Kurz vor seiner Verlobung hatte er nämlich erfahren, dass eine andere Frau ein Kind von ihm erwartete. Und da hatte er beschlossen, an einem anderen Ort in einem anderen Teil des Landes ein Haus zu kaufen, und er hatte den Jobwechsel von Lund nach Uppsala forciert. Er hatte für etwas, das ihm attraktiver erschien, eine andere Frau sitzen lassen, obwohl er die Zeit gehabt hätte, das Richtige zu tun.
Das Kind war nie geboren worden. Nachdem Spencer sich entschieden hatte, hatte Josefine, die Schwangere, sich ebenfalls entschieden: für eine Abtreibung. Zu jener Zeit eine Sünde. Wie eine Ironie des Schicksals wirkte es da, dass Spencer und seine spätere
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