Tausendschön
mir glauben, Jakob hat einen hohen Preis gezahlt.«
» Wurde er deshalb krank?«
» Sehr krank. Damals musste er zum ersten Mal eingewiesen werden. Leider hat nur Marja ihn da besucht.«
In Fredrika keimte ein Verdacht auf. » Was war mit Johanna?«
Elsie Ljung holte langsam Luft. » Ihre Geschichte ist eigentlich viel trauriger als die von Karolina. Ihre ganze Kindheit lang war sie Papas Mädchen gewesen. Und als Jakob im Zusammenhang mit der Vergewaltigung Karolina so grausam im Stich ließ – denn wie man es dreht oder wendet, kann man es anders doch nicht nennen –, ergriff Johanna Partei für ihre Schwester. Jahr für Jahr. Bis Karolina diesen Unfall hatte und ihre Wandlung durchmachte. Und plötzlich hatte Johanna niemanden mehr, an den sie sich wenden konnte. Die Beziehung zu Jakob war kaputt, und plötzlich wurde ihre Schwester zu Papas Liebling. Johanna muss sich völlig verraten gefühlt haben.«
Fredrika hatte die Bilder aus Ekerö vor Augen. » Sie ist zur Familie auf Distanz gegangen«, murmelte sie.
» Ja, sie hat sie nur noch sporadisch getroffen. Und als Jakob wieder anfing, davon zu reden, dass er auf Ekerö Flüchtlinge aufnehmen wollte, erklärte sie ihrer Familie endgültig den Krieg.«
Fredrika runzelte die Stirn.
» Wie ich Ihnen ja neulich schon erzählt habe, war Johanna außer sich. So etwas Dummes, meinte sie, wolle sie nicht noch ein Mal hören. Marja war übrigens der gleichen Meinung.«
Marja. Die Frau, die sich in die Bibliothek schlich und Drohmails an ihren eigenen Ehemann schickte.
» Jakobs Idee führte zu einem tiefen Riss in der Familie«, seufzte Elsie Ljung. » In einem letzten verzweifelten Versuch, den Konflikt beizulegen, schlug Jakob vor, den Töchtern das Haus zu schenken. Aber da war es schon zu spät.«
» Wie meinen Sie das?«, fragte Fredrika und hielt, ohne es zu merken, den Atem an.
Elsie Ljung sah auf ihre Hände und drehte ein wenig an ihrem Ehering. » Marja hatte er da schon verloren«, flüsterte sie als Antwort. » Sie hatte die Seiten gewechselt und angefangen, mit Ragnar Vinterman zu arbeiten, als dieser seine Tätigkeit aufnahm. Doch das hat Jakob erst viel später begriffen. Und da stand er dann schon und starrte in den Abgrund, den Johanna und Viggo so raffiniert aufgerissen hatten.«
Die Zeit stand still. Fredrika wartete.
» Viggo?«, fragte sie leise nach.
» Viggo und Johanna haben sich insgeheim ungefähr zur selben Zeit zusammengetan, als Jakob davon redete, seine alte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Und deshalb bin ich hier«, sagte Elsie Ljung, » denn Sven würde es niemals fertigbringen, Viggo an Sie auszuliefern, obwohl er uns und seinem Bruder so viel angetan hat.«
Aber es gab auch noch andere Gründe, und die kannte Fredrika.
» Und ich bin wegen Lina hier«, bestätigte Elsie Ljung mit heiserer Stimme. » Ich glaube, das Mädchen ist in Gefahr. Sie müssen wissen: Viggo hat sich erst spät für Johanna interessiert. Anfangs war er in Karolina verliebt. Und er hat es nie verwunden, von ihr abgewiesen worden zu sein.«
» Sie hat Måns vorgezogen.«
» Ja, und beide mussten dafür bezahlen. Viggo hat alles getan, um Måns’ Sucht zu befördern und auf diese Weise die Beziehung zwischen den beiden zu zerstören. Am Ende siegte er. Viggo hat Måns hinter seinem Rücken bei seinem Arbeitgeber angeschwärzt, damit er seinen Job verlor. Außerdem hat er bei seinen Freunden Gerüchte über Måns gestreut, die ihn in ein schlechtes Licht rückten. Måns ging es dabei immer schlechter. Johanna hatte auch ihre Finger mit im Spiel, wobei sie allerdings weniger Måns schaden wollte als vielmehr Karolina.«
» Da hatte sich Viggo also schon mit Johanna zusammengetan.«
» Ja, und zwar seit die Beziehung zwischen Karolina und Måns beendet war. Aber die Geschichte zwischen Johanna und Viggo wurde geheim gehalten. Im Hinblick darauf, was die beiden ausgeheckt hatten, hielten sie es wahrscheinlich für das Beste. Nicht einmal Marja erfuhr davon, obwohl sie im Flüchtlingsnetzwerk mit ihnen zusammenarbeitete. Sie waren schon mehrere Jahre ein Paar, ehe ich es endlich begriff. Außer Sven habe ich niemandem davon erzählt. Wir beschlossen abzuwarten. Wir meinten, es würde uns nichts angehen. Das bereue ich heute.«
Fredrika zögerte. » Wie würden Sie den seelischen Gesundheitszustand von Johanna beurteilen?«
» Sie ist krank«, antwortete Elsie Ljung, » richtig krank. Definitiv nicht die Frau, die ich mir als Schwiegertochter
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