Tausendschön
Gedanken.
Er zeigte auf einen hellgrauen Strich, der in einem Bogen direkt hinter der Nachttischlampe am Kopfende des Bettes über die Wand verlief.
» Nein«, antwortete der Kollege hinter Peder. » Aber der kann doch schon ewig da sein, oder?«
» Durchaus«, erwiderte Joar. » Oder er ist entstanden, als diese Lampe hier auf den Boden fiel. Wenn sie gefallen ist.«
» Du meinst, dass sich hier doch jemand zur Wehr gesetzt hat und die Lampe dabei umgefallen ist?«, fragte Peder.
» Genau. Und dann, als alles vorbei war, hat jemand die Lampe wieder an ihren ursprünglichen Platz gestellt. Wir können ja die Techniker bitten, sich das anzusehen, wenn sie es nicht schon getan haben.« Er ging in die Hocke. » Der Stecker ist nicht in der Wand. Vielleicht ist er rausgerissen, als die Lampe hinuntergefallen ist.«
Peder brummte nur, ging zum Fenster und sah hinaus.
» Als wir hier ankamen, waren sämtliche Fenster in der Wohnung zu«, rapportierte der Kollege. » Die Eingangstür war verschlossen.«
» Von innen?«
» Nun, das war nicht festzustellen. Oder … Ich meine, das könnte so oder so sein. Aber wir glauben, dass die Tür von innen verschlossen war.«
» Aber sie kann auch von außen verschlossen worden sein? Wissen wir, wer alles einen Schlüssel zu der Wohnung hat?«
» Die Freunde, die sie gefunden haben, vermuten, dass sie die Einzigen gewesen seien, die einen Zweitschlüssel hatten. Außer die kürzlich verstorbene Tochter. Was die beiden übrigens äußerst aufgeregt hat.«
» Dass sie auch einen Schlüssel zu der Wohnung hatte?«, fragte Peder verständnislos.
» Nein, dass sie Drogen genommen haben soll«, erklärte der Kollege. » Sie hatten sie zwar schon ein paar Wochen lang nicht mehr gesehen, aber soweit sie wussten, hatte sie eine sehr enge Beziehung zu ihren Eltern. Und den Freunden war vollkommen neu, dass sie drogenabhängig gewesen sein sollte.«
Joar und Peder tauschten einen Blick aus.
» Mit diesen guten Freunden sollten wir wohl schnellstmöglich reden«, sagte Joar. » Wohnen sie in der Nähe?«
» Unten am Vanadisplan. Sie sind zu Hause.«
» Lass uns gleich gehen«, meinte Peder und war schon auf dem Weg aus der Wohnung hinaus, als Joar ihn zurückbat: » Warte kurz, ich möchte mich nur noch einmal richtig umsehen, ehe wir gehen.«
Peder machte aus seiner Ungeduld keinen Hehl. Was immer dieser Joar …
» Was für einen Eindruck hast du von den Leuten, die hier gewohnt haben, wenn du dich mal umsiehst?«
Von der Frage überrumpelt, blickte Peder verwirrt um sich. » Dass sie Geld haben«, antwortete er schließlich.
Joar legte den Kopf schräg und blieb ein paar Meter entfernt gegenüber von ihm stehen.
» Stimmt. Und was noch?«
Sein Tonfall machte Peder schlechte Laune, ohne dass er richtig sagen konnte, warum. Als würden die Fragen eine bisher unbekannte Befindlichkeit in seinem Innern berühren.
» Ich weiß nicht genau.«
» Versuch es!«
Peder fühlte sich aus irgendeinem Grund provoziert. Er stapfte erst durchs Wohnzimmer und dann in die Küchenecke. Er marschierte in die Diele, in die Bibliothek und das Gästezimmer, dann ins Wohnzimmer.
» Sie sind gut situiert«, wiederholte er. » Sie haben schon lange Geld. Vielleicht geerbt. Es sieht fast so aus, als würden sie gar nicht hier wohnen. Jedenfalls nicht richtig.«
» Erklär das!«
» Kaum Bilder von den Kindern – oder besser: nur aus der Zeit, als sie ganz klein waren. Die Fotos an den Wänden zeigen keine Menschen, sondern Landschaften. Mit Kunstwerken kenne ich mich nicht aus, aber sie sehen teuer aus.«
» Gibt es irgendeine Abweichung von dem, was du gerade gesagt hast? Also dass es nicht so aussieht, als würde hier jemand wohnen?«
» Vielleicht das Schlafzimmer. Da haben sie zumindest ein Foto von sich selbst, das aussieht, als sei es relativ neu.«
Das Parkett knarrte, als Joar sich bewegte.
» Ich habe genau das Gleiche gedacht«, sagte er schließlich mit einem Tonfall, der Zufriedenheit verriet. » Und ich frage mich, was uns das sagt. Unten am Vanadisplan sitzt ein anderes Paar, das behauptet, diese Familie ziemlich gut gekannt zu haben. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass die Leute, die in dieser Wohnung wohnten, sehr unpersönliche und kühle Menschen waren, die niemanden besonders nah an sich herankommen ließen. Ich denke, wir sollten das im Hinterkopf behalten, wenn wir die anderen in ein paar Minuten besuchen. Das – und dass der Eindruck, den wir von dieser Wohnung
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