Tausendschön
Kirche, so wie auch Alex’ jüngerer Bruder. Alex selbst hatte damals, als es um seine Berufswahl ging, hart kämpfen müssen, um sich gegen den Willen seiner Eltern durchzusetzen. Seit Generationen waren die Erstgeborenen in der Familie Pfarrer gewesen. Irgendwann hatte der Vater kapituliert und gemeint, letztendlich erfordere auch der Polizeidienst eine Art Berufung.
» Ich will diesen Beruf, weil ich denke, dass ich nichts anderes besser kann«, hatte Alex erklärt. Und mit diesem Satz war er schließlich als Sieger aus dem Kampf hervorgegangen.
Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte erneut. Wärme breitete sich in ihm aus, als er die Stimme seiner Frau Lena hörte, auch wenn sie in letzter Zeit hin und wieder auch mal ein Gefühl der Sorge bei ihm hervorgerufen hatte. Irgendetwas bekümmerte sie, aber sie rückte einfach nicht mit der Sprache heraus.
» Wird es heute Abend spät?«, fragte sie ihn.
» Wahrscheinlich nicht.«
» Vergiss nicht deinen Termin bei der Krankengymnastik.«
Alex seufzte. » Natürlich nicht.«
Sie sprachen darüber, was sie zu Abend essen würden und was sie von dem neuen Freund der Tochter halten sollten, der wie ein Hardrocker aussah und wie ein Politiker redete. Ein totales Fiasko, verkündete Alex schließlich und entlockte Lena damit ein Lachen.
Ihr Lachen hallte noch in seinem Kopf nach, als sie aufgelegt hatten.
Alex sah auf seine vernarbten Hände. Die Verletzungen hatte er sich im vorigen Sommer bei dem Wahnsinnsfall mit dem verschwundenen Mädchen zugezogen. Mehrere Kinder waren aus der Hauptstadt verschwunden und dann ermordet aufgefunden worden. Die Jagd nach dem Täter hatte sich zusammengenommen über weniger als eine Woche erstreckt, war aber viel intensiver gewesen als alles, womit er im Laufe seiner Karriere je konfrontiert gewesen war. Der Brand in der Wohnung des Täters war dann das bizarre Finale eines ebenso bizarren Falles gewesen.
Alex beugte und streckte einen Finger nach dem anderen. Die Ärzte hatten ihm versprochen, dass er sie wieder voll und ganz würde bewegen können, und das hatte gestimmt.
An den Brand selbst hatte Alex nahezu keine Erinnerung, und darüber war er auch ganz froh. Nie zuvor war er so lange krankgeschrieben gewesen, und nur wenige Wochen nachdem er endlich seine Arbeit wieder aufnehmen konnte, waren Lena und er nach Südamerika gereist, um ihren Sohn zu besuchen.
Wie immer, wenn er an die Reise dachte, musste er lächeln. Mein Güte, was für ein Chaos bei der Polizei dort herrschte!
Das Telefon klingelte wieder. Zu seinem großen Erstaunen war es Margareta Berlin, die Personalchefin, die ihn sprechen wollte.
» Alex, wir müssen über Peder Rydh reden«, sagte sie mit fester Stimme.
» Ach, ja? Worum geht es denn?«
» Um Zimtröllchen.«
Er war zwar schon mehrere Tage in Schweden, hatte aber immer noch nichts vom Land gesehen. Von Arlanda aus hatte er getreu den Instruktionen den Bus in die Stockholmer Innenstadt genommen und sich dann vor einen Zeitungskiosk, den man » Pressbyrån« nannte, gesetzt und gewartet.
Die Frau war eine halbe Stunde später gekommen. Sie sah überhaupt nicht so aus, wie er sie sich vorgestellt hatte, nicht wie eine typische Schwedin, sondern war viel kleiner und dunkler, und sie trug einen Männeranzug mit Hosen anstelle eines Rocks. Er war unsicher, was er sagen sollte.
» Ali?«, fragte die Frau.
Er nickte.
Sie warf einen Blick über die Schulter und schob dann die Hand in ihre Tasche und reichte ihm ein Handy. Die Erleichterung war so überwältigend, dass er fast anfing zu weinen. Die Übergabe des Telefons war das Signal, auf das er gewartet, der Beweis dafür, dass er alles richtig gemacht hatte.
Mit zitternden Händen steckte er das Telefon ein und zückte seinen Pass aus der Hemdtasche. Die Frau nickte nur, als er ihn ihr gab, und blätterte ihn schnell durch. Danach bedeutete sie ihm, dass er ihr folgen solle.
Sie ging mit ihm durch den Busbahnhof, der » Cityterminalen« hieß, und auf eine Straße voller Autos hinaus. Direkt links neben dem Eingang, ganz nah am Bürgersteig, standen mehr Fahrräder, als Ali jemals an einer Bushaltestelle gesehen hatte. Die Schweden mussten wie verrückt mit dem Fahrrad fahren.
Die Frau wies mit diskreten Gesten auf ihr Auto und bedeutete ihm, dass er sich auf den Beifahrersitz setzen solle. Fasziniert sah er, wie sie hinter dem Steuer Platz nahm und das Auto anließ. Es war viel kälter, als er erwartet hatte, doch im Auto war es
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