Tausendschön
Fenster fuhren Autos vorüber. Die Reifen knirschten auf dem Schnee, und der Dampf der Abgase färbte sich in der Kälte weiß. Wie seltsam. Dort draußen schien alles ganz genauso weiterzugehen wie immer.
» Vielleicht sollten wir aufhören, wenn das hier fertig ist«, sagte er gedehnt. » Ich meine, bis sich die Aufregung gelegt hat.«
Er hörte tiefe Atemzüge in der Leitung.
» Du kommst doch wohl nicht ins Grübeln, oder?«, fragte die Stimme dann.
Er nickte langsam. » Natürlich nicht«, sagte er schließlich leise, aber mit Nachdruck. » Doch ein wenig Vorsicht kann nicht schaden, jetzt, da alle Augen auf uns gerichtet sind.«
Tonloses Lachen. » Sie sehen nur dich, mein Lieber. Wir anderen sind immer noch unsichtbar.«
» Eben«, erwiderte er heiser. » Und so soll es ja wohl sein, nicht wahr? Es wäre doch schade, wenn sie Gründe finden würden, mich genauer zu durchleuchten. Da wäre es nämlich nur noch eine Frage der Zeit, wann auch du sichtbar würdest.«
Die letzten beiden Wörter betonte er besonders hart.
» Wir ziehen am selben Strang«, sagte die Stimme gedämpft.
» So ist es«, erwiderte er mit zusammengebissenen Zähnen. » Es wäre gut, wenn ich nicht der Einzige wäre, dem das klar ist.« Dann legte er auf. Zündete sich eine Zigarette an, obwohl er wusste, dass seine Frau es hasste, wenn er im Haus rauchte. Und draußen fiel der Schnee, als wollten die Wettergötter verzweifelt alles Böse der Erde darunter begraben.
Donnerstag, 28. Februar 2008
Stockholm
Sie hatte unbändiges rotes Haar, trug ein schlecht sitzendes lila Kleid, und ihre Körpersprache verhieß Anstrengung. Die Stimme war heiser und gellend, ihre Worte hart und böse. Peder Rydh war sich fast sicher, dass sie überdies schlecht roch und Haare unter den Achseln hatte.
Er saß ganz hinten am äußeren Ende der Stuhlreihe und fragte sich, wie er bloß hier gelandet war. In einem Gleichberechtigungsseminar. Wo es doch tausend wichtigere Sachen zu tun gab. Wenn Margareta Berlin selbst anwesend wäre, würde sie sich für ihre Entscheidung schämen. Von allen Seminaren in der ganzen Welt war dies sicherlich eines der überflüssigsten. Sehr bedauerlich. Für Frau Berlin.
Er war rastlos. Die Unruhe saß ihm in den Beinen, blubberte im Blut und brachte ihn zum Kochen. Zum Teufel, das war nicht fair! Das war einfach nicht fair!
Wenn er daran dachte, wie er von Margareta Berlin geohrfeigt worden war, trieb es ihm die Röte ins Gesicht. Sie hatte so verdammt selbstsicher hinter ihrem Schreibtisch gethront, als sie sein Urteil verkündet hatte. Als ob sie die geeignete Person wäre, ihm beizubringen, wie man sich bei der Polizei zu verhalten hatte!
Dass sie auch noch die Stirn gehabt hatte, das kleine Missverständnis von der Weihnachtsfeier zur Sprache zu bringen! Das war doch nicht seine Schuld gewesen! Das war doch wohl sonnenklar. Und außerdem täuschte sich Margareta Berlin in einer Sache: Die Polizei war durchaus ein Arbeitsplatz wie jeder andere, und man konnte schlafen, mit wem man wollte.
Erinnerungen tauchten auf, diesmal von der Weihnachtsfeier. Erhitzte Körper auf einer viel zu kleinen Tanzfläche, die provisorisch im Pausenraum eingerichtet worden war. Viel zu viel Alkohol. Tanzen zu einer Musik, die außerhalb des gewohnten Programms lag. Es hatte, wie sein Kollege Hasse es tags darauf so gut ausdrückte, auf dieser Weihnachtsfeier ein ungeheurer Druck gelegen. Peder hatte gefeiert, als gäbe es kein Morgen. Gefeiert und gefeiert hatte er und getanzt und getanzt. Seine Füße hatten sich von allein bewegt, als er eine Kollegin nach der anderen herumschwenkte.
Irgendwann hatte er auch mit Elin Bredberg getanzt. Glänzendes Gesicht, dunkles Haar und lebendige Augen. Solche Augen hatte Peder durchaus schon gesehen. Hungrig waren sie und wollten ihn verschlingen. Auf der Jagd und auf der Flucht. Augen, die begehrten.
Und Peder Rydh war keiner, der sich lange bitten ließ. Wenn eine Tür offen stand, dann trat er auch ein. Nicht mehr und nicht weniger. Zuerst zog er Elin etwas näher an sich. Die Augen wurden etwas schmaler, lächelten aber. Lockten einladend. Also ließ Peder seine Hand von Elins Rücken auf ihren Hintern rutschen, packte ihre rechte Pobacke und küsste ihre Wange.
Er schaffte es kaum zu reagieren, als die Hand hochschoss und auf seine Wange klatschte. Und damit war das Fest beendet.
Peder fand, dass es im Leben ungeschriebene Gesetze gab. Elin Bredberg musste gewusst haben, wie er die
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