Tausendschön
dieselbe Frau, die ihn am » Pressbyrån« getroffen hatte, doch diesmal war sie in Begleitung eines Mannes gekommen. Er war klein und hellblond. Sein Alter war schwer zu bestimmen, vielleicht um die sechzig Jahre. Ali verlor den Mut. Er hatte gehofft, dass jemand kommen würde, der Arabisch sprach.
Zu seinem Erstaunen öffnete der Mann den Mund und sprach ihn mit sanfter Stimme in seiner Muttersprache an: » Salaam aleikum, Ali. Wie geht es dir?«
Ali schluckte und räusperte sich. Es war so lange her, dass er mit jemandem hatte sprechen können!
» Gut, danke«, sagte er mit rauer Stimme.
Er schluckte wieder und hoffte, sie würden ihm nicht ansehen, dass er log. Es wäre eine Katastrophe, wenn sie ihn für unverschämt hielten. Doch das Allerschlimmste wäre, wieder nach Hause geschickt zu werden. Dann wären er und seine Familie wieder bei null.
Der Mann und die Frau gingen in die Wohnung hinein, und Ali folgte ihnen. Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Die Frau legte ein paar noch ungeöffnete Zigarettenpäckchen auf den Couchtisch und nickte Ali zu. Er lächelte und versuchte, dankbar zu wirken. Die ganze Nacht hatte er nicht geraucht, was den Stress in seinem Körper noch verstärkt hatte.
» Danke«, flüsterte er auf Arabisch. » Vielen Dank.«
Der blonde Mann sagte etwas zu der Frau, und sie lachte kurz auf.
» Hoffentlich hast du nicht gedacht, wir hätten dich im Stich gelassen«, sagte der Mann und lehnte sich im Sofa zurück. Er nahm einen besorgten Gesichtsausdruck an. » Wir waren gezwungen, ein paar Tage zwischen unseren Besuchen verstreichen zu lassen, das verstehst du doch sicher.« Als Ali nicht sofort antwortete, fügte der Mann hinzu: » Es ist ja auch zu deinem Besten.«
Ali zündete sich eine Zigarette an. Das Nikotin beruhigte ihn ein wenig.
» Kein Problem«, beeilte er sich zu sagen. » Es ist mir gut ergangen.«
Der Mann nickte zufrieden.
Die Frau zog die Tasche, die sie neben sich gestellt hatte, auf ihren Schoß und öffnete mit einem diskreten Klicken das Schloss.
» Wir sind gekommen, um mit dir über die noch ausstehende Bezahlung zu sprechen«, sagte der Mann ernst. » Damit du deine Aufenthaltsgenehmigung kriegen, deine Familie nachholen und endlich neu anfangen kannst. Damit ihr in euer neues Zuhause einziehen, Schwedisch lernen und euch Arbeit suchen könnt.«
Ali nickte eifrig. Darauf hatte er gewartet, seit er das Flugzeug verlassen hatte.
Die Frau reichte ihm eine Plastikmappe, in der Papiere steckten.
» Das dort ist das Reihenhaus in Enskede, das wir für dich und deine Familie vorgesehen haben«, sagte der Mann und ermunterte Ali, die Papiere herauszunehmen. » Das möchtest du dir doch bestimmt ansehen.«
Die Bilder zeigten ein anonymes, kleines Häuschen. Es war weiß, der Rasen davor saftig grün. In den Fenstern hingen Gardinen. Ali musste lächeln. Seine Familie würde nur zu gern dort wohnen.
» Gefällt es dir?«
Ali nickte. Der Mann sprach gut Arabisch, besser als die meisten Ausländer, die Ali kennengelernt hatte, ehe der Irakkrieg ausgebrochen war. Ob er selbst wohl eines Tages so gut Schwedisch sprechen würde? Die Hoffnung wärmte ihm die Brust.
Die Frau streckte sich nach der Mappe, und Ali beeilte sich, sie ihr wiederzugeben.
» Was soll ich tun?«, fragte er und wand sich unruhig in dem Sessel. Die Müdigkeit brannte ihm in den Augen, und der Hunger verschlimmerte die Magenschmerzen.
Der Mann setzte wieder sein warmes Lächeln auf.
» Was haben sie dir zu Hause im Irak denn schon erzählt?«
Ali seufzte. » Nicht viel. Nur dass Sie ein anderes Bezahlungssystem haben als andere Netzwerke. Dass man weniger Geld bezahlt und dass der Rest auf …« Er suchte nach den richtigen Worten. » … Gegenleistungen beruht.«
Das Lächeln des Mannes wurde breiter. » So ist es«, sagte er in einem Tonfall, in dem ein Lob mitschwang, so als hätte Ali irgendetwas sehr gut gemacht. » Leistungen und Gegenleistungen. Genau so ist es.« Er räusperte sich unmerklich und sah dann wieder sorgenvoll aus. » Ich hoffe, du hast verstanden, dass wir dies hier tun, weil wir dir und deinen Landsleuten helfen wollen. Aber das alles kostet Geld. Das Haus kostet Geld, der falsche Pass, der dich hierhergebracht hat, hat Geld gekostet. Und nach unserem System stellst auch nicht du selbst den Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung, sondern wir haben Kontakte, die das für dich erledigen.«
Dieser Teil des Arrangements war es, der so fantastisch klang, dass Ali sich
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