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Tausendschön

Tausendschön

Titel: Tausendschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ohlsson
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einschlägigen rechtsradikalen Kreisen gelandet. Inzwischen war er neunzehn und wollte bald Abitur machen. Sein Bruder hatte die Gruppe einige Jahre zuvor verlassen, war an einen anderen Ort gezogen und hatte sich eine Arbeit gesucht. Er selbst wohnte noch in Stockholm, hatte schlechte Zensuren und wusste nicht, wohin, weil er sich in seinem Bekanntenkreis irgendwann wie ein Fremder zu fühlen begonnen hatte. Und außerdem hatte er ein Mädchen kennengelernt. Nadima aus Syrien.
    » Eigentlich hätte ihre Familie und nicht mein Freundeskreis ein Problem damit haben müssen, dass wir zusammen waren«, hatte der Junge zu Jakob gesagt. » Aber ihr Alter ist cool wie nur was, obwohl seine Tochter mit einem schwedischen Typen zusammen ist. Aber die Jungs würden mich töten und sie auch, wenn sie davon wüssten.«
    Der Junge hatte die Grenze dessen erreicht, was ein junger Mensch ertragen konnte. Jakob hatte das gesehen und wollte deshalb handeln. » Gib mir ein, zwei Tage«, hatte er gesagt. » Ich kenne ein paar Leute. Ich höre mich mal um, was man in deiner Situation tun kann.«
    Doch wie sich im Nachhinein herausstellte, war den beiden keine Zeit mehr geblieben. Die Gruppe hatte herausbekommen, dass einer von ihnen sich mit einem Einwanderermädchen zusammengetan hatte und aussteigen wollte, und ein paar Tage später, als das Paar von einem Spaziergang zurückkam, warteten sie auf die beiden.
    Agne Nilsson hatte Tränen in den Augen. » Es hat Jakob ungeheuer mitgenommen, dass er nicht begriffen hatte, wie eilig die Sache in Wirklichkeit war«, sagte er heiser.
    » Was ist geschehen?«, fragte Joar, und Fredrika fürchtete schon die grässlichen Details.
    » Sie haben das Mädchen einer nach dem anderen vergewaltigt und ihn gezwungen zuzusehen.« Er schluckte schwer. »Und dann haben sie ihn zusammengeschlagen, bis nicht mehr viel von ihm übrig war. Er sitzt im Rollstuhl, schwerstbehindert.«
    Fredrika hätte am liebsten geweint. » Und das Mädchen?«, fragte sie mit brüchiger Stimme.
    Zum ersten Mal, seit er bei ihnen saß, lächelte Agne Nilsson. Es war ein schmales, aber aufrichtiges Lächeln.
    » Sie ist inzwischen Mitglied unseres Netzwerks«, sagte er. » Arbeitet wie wild. Sie ist die Einzige, der die Kommune eine Vollzeitstelle angeboten hat. Ich glaube, dass es für sie ein Weg war, mit dem Erlebten klarzukommen.«
    Sowohl Joar als auch Fredrika waren bei seinen Worten erleichtert.
    » Welche Funktion hatte Jakob konkret?«, fragte Joar. » Sie haben etwas von kommunalen Geldern gesagt.«
    Agne Nilsson nickte. » Nadima ist, wie gesagt, die Einzige, die in Vollzeit arbeitet und ein Gehalt bezieht. Ansonsten hat die Kommune entschieden, ganz auf etablierte ehrenamtliche Gruppen zu setzen. Wir anderen sind dafür von unseren jeweiligen Arbeitgebern in unterschiedlichem Maße freigestellt. Jakob war eigentlich der Einzige, bei dem das nicht so war – er arbeitete fast ausschließlich aus ideellen Gründen. Fragen Sie mich nicht, warum, aber so war es. Vor allem war er unser Sprachrohr und derjenige, der das Ohr am Puls der Zeit hatte, wie man so sagt. Haben Sie je einen seiner Vorträge gehört?«
    Fredrika und Joar schüttelten die Köpfe.
    Agne Nilsson blinzelte ein paarmal. » Er war einfach fantastisch«, sagte er dann und strahlte. » Er konnte jeden dazu bringen, in neuen Bahnen zu denken. Sein Ding war es, all das, was die Leute schon hundertmal gehört hatten, auf neue Weise und mit neuer Energie zu präsentieren. Darin war er ungeheuer erfolgreich.« Er zupfte an einem Hemdenknopf. » Er hätte Politiker werden sollen«, fügte er hinzu, » da hätte er auch Erfolg gehabt.«
    Ich glaube, dieser Jakob hätte mir gefallen, stellte Fredrika insgeheim fest.
    » Wie war das mit seiner Krankheit?«, fragte sie. » Hat sie ihn beeinträchtigt?«
    » Na ja«, sagte Agne Nilsson und verzog das Gesicht, » doch, zu bestimmten Zeiten ging er in die Knie, aber er sprach nicht gern darüber. Und ich hatte den Eindruck, als sei es früher noch viel schlimmer gewesen.«
    » Aber Sie haben nie näher darüber gesprochen?«, erkundigte sich Joar mit Staunen in der Stimme.
    » Nein«, gab Agne Nilsson zu, » das haben wir nicht getan. Jakob sagte immer, dass sich seine Gesundheit kaum verbessern würde, wenn er sie nach außen kehrte, und damit hatte er ja auch teilweise recht. Deshalb hat er eigentlich nie mehr als unbedingt nötig von seiner Krankheit gesprochen.« Er räusperte sich. » Wenn wir uns sahen, haben

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